Zu sehen sind von links nach rechts: Stefan G. Reuß, Detlef Fechtner, Thomas Groß, Nicola Beer, Dr. Valdis Dombrovskis, Michael Boddenberg Markus Ferber und Daniel Quinten.

Hessisches Ministerium der Finanzen

4. Hessische Regionalbankenkonferenz

Finanzminister Boddenberg: „Finanzstandort Deutschland stärken heißt unsere Wirtschaft stärken. Die Regionalbanken müssen starke Partner unserer mittelständisch geprägten Wirtschaft bleiben können."

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Die Hessische Landesregierung setzt sich auch in Brüssel für unsere regionalen Kreditinstitute wie Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken ein. Anlässlich der 4. Hessischen Regionalbankenkonferenz, die gestern in Brüssel startete, haben die Staatsminister Lucia Puttrich und Michael Boddenberg gemeinsam mit Marija Kolak (Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raif-feisenbanken - BVR), Helmut Schleweis (Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes - DSGV -  und Vize-Präsident der Europäischen Sparkassen- und Retailbankenvereinigung - ESBG) sowie Thomas Groß (Vorstandsvorsitzender der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen - Helaba) und  Stefan G. Reuß (Geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen - SGVHT) Vertreter regionaler Institute sowie weitere Interessierte in die Hessische Landesvertretung in Brüssel eingeladen. Gestern und heute wird über aktuelle Entwicklungen informiert und mit den Spitzenvertretern diskutiert.

Die zweitägige Konferenz befasst sich in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit der Bedeutung regionaler Banken für die regionale Wirtschaft und den Herausforderungen, vor denen diese Banken durch Anforderungen der Bankenregulierung, technische Entwicklungen und den Umbau hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft stehen. Als Experten gehören Dr. Valdis Dombrovskis (Geschäftsführender Vizepräsident der Europäischen Kommission) Nicola Beer, MdEP und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Markus Ferber, MdEP sowie Engin Eroglu MdEP zu den Rednern. Aber auch die Perspektive der Realwirtschaft ist durch Manfred Schultheis, Unternehmer und Mitglied des DIHK-Mittelstandsausschusses, vertreten.

„Regionale Banken trifft eine Regulierung, die nicht nur sehr komplex, sondern auch äußerst starr ausgestaltet ist. Diese Regulierung treibt letztlich einen Konsolidierungsprozess an, bei dem die Vorteile des regionalen Geschäftsmodells - wie Flexibilität bei den Entscheidungen vor Ort und ein tiefes Verständnis der Unternehmen - verloren gehen. Diese Wirkung von Bankenregulierung auf ganz unterschiedliche realwirtschaftliche Strukturen in der EU werden von der EU-Gesetzgebung nicht ausreichend in den Blick genommen“, so der Hessische Finanzminister Michael Boddenberg.

Kennzeichnend für Deutschland sind die dezentralen Strukturen. Das zeigt sich in der Siedlungsstruktur, der dezentralen Struktur der Realwirtschaft und eben auch in der regionalen Struktur der Bankenlandschaft. Sie haben sich in Deutschland zueinander passend entwickelt.

Die derzeitige Bankenregulierung folgt dem Prinzip One-size-fits-all, und die passt zu großen Strukturen. Die Basis unserer europäischen Regulierung sind internationale Vereinbarungen, die primär auf Großbanken zugeschnitten sind. Deutschland hat und braucht große Banken, die international agierende Firmen unterstützen. Deutschland hat und braucht aber für seine regional verankerte Wirtschaft ebenso regionale Banken wie Genossenschaftsbanken und Sparkassen, die die Unternehmensstrukturen vor Ort und die lokalen Gegebenheiten kennen und so rasch reagieren können.

Diese Überlegungen münden in die Frage, wie Bankenregulierung in der EU proportional ausgestaltet werden kann. Das Thema ist trotz Einführung der Small Banking Box keinesfalls vom Tisch.

Die Bedeutung der regionalen Banken liegt darin, dass Nähe zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber für die Kreditversorgung tatsächlich von Gewicht ist, denn die größere Nähe zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber führt zu besserem Informationsfluss, insbesondere hinsichtlich der „weicheren“ Kriterien wie der Kenntnis der regionalen Strukturen, des Arbeitsmarkts oder der Infrastruktur.

Führt Regulierung zu stärker zentral organisierten Strukturen der Finanzwirtschaft, bleibt dies nicht ohne Folgen für die dezentralen Strukturen der deutschen Volkswirtschaft. Regulierung kann damit langfristig und grundlegend die Wirtschaftsstrukturen in Deutschland verändern. Es kann daher nicht im Interesse Deutschlands und auch nicht im Interesse der Europäischen Union liegen, zentrale Finanzierungsstrukturen zu forcieren.

Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), erklärte „Nachhaltige Entwicklung zielt auf mehr als nur Umwelt, es geht neben ökologischen auch um ökonomische und soziale Aspekte. Durch den genossenschaftlichen Förderauftrag und dadurch, dass viele Kunden als Mitglieder zugleich Eigentümer ihrer Genossenschaft sind, ist Nachhaltigkeit Bestandteil der genossenschaftlichen DNA. Genossenschaftsbanken bieten als Lotse Zugang zu Finanzierungen auf regionaler Ebene und tragen Dank der Nähe zu ihren Privat- und Firmenkunden zu wirtschaftlicher Stabilität und nachhaltigem Wirtschaftswachstum bei. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Transformation.“

Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), forderte eine Regulatorik mit Augenmaß – gerade beim Thema Nachhaltigkeit: „Regionalbanken und Sparkassen dürfen nicht durch überbordende Regulatorik davon abgehalten werden, Unternehmen bei der dringend notwendigen Transformation zu Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu begleiten. Gerade in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten ist Dezentralität ein wesentlicher Faktor für Flexibilität und Stabilität: Selbständig handelnde Vorstände justieren überall in Deutschland die Geschäftspolitik so, dass Energiewende und Dekarbonisierung vor Ort gelingen können.“

Thomas Groß, Vorstandsvorsitzender der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, sagte: „Die deutsche Wirtschaft ist in vielen Aspekten durch Diversität und Dezentralität geprägt. Daraus ergeben sich vielfältige Anforderungen, denen wir mit einem ebenso vielfältigen Angebot begegnen. Dabei hilft uns die enge dezentrale Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft. So ergänzen die Landesbanken das Angebot der Sparkassen und stellen sicher, dass jeder Kunde, egal welcher Größe und aus welcher Region, z.B. Zugang zum Kapitalmarkt- und Auslandsgeschäft erhält. Diese Vielfalt sichert die Stabilität in Zeiten des Wandels und sollte von Seiten der Bankenregulierung entsprechende Berücksichtigung finden.“

Stefan G. Reuß, Geschäftsführende Präsident des Sparkassen- und Girover-bandes Hessen-Thüringen (SGVHT), erklärte: "Ein im echten Sinne proportionales Regulierungs- und Aufsichtskonzept, das auf das Primat der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit setzt und auf die Größe bzw. Systemrelevanz der Institute und der von ihnen potenziell ausgehenden Gefahren abhebt, wäre ein Meilenstein. Es wäre eine Lösung, die keine Erhöhung des Risikos bedeuten, aber den kleinen und mittelgroßen Sparkassen und Volksbanken das Leben leichter machen würde. Das würde letztendlich auch den Kundinnen und Kunden dieser Institute und damit auch dem Mittelstand zugutekommen."

Zum Abschluss seiner Rede erklärte der Finanzminister an die Vertreter der Regionalbanken gewandt: „Die möglichen Auswirkungen können gar nicht überschätzt werden. Es kann daher nicht im Interesse Deutschlands und auch nicht im Interesse der Europäischen Union liegen, zentrale Finanzierungsstrukturen zu forcieren. Wichtig ist die Debatte darüber, wie die Bankenlandschaft der Zukunft in Deutschland und der EU aussehen soll, um Wachstum und Wohlstand zu sichern. Dazu gehört auch der Fokus auf die Frage, wie eine proportionalere Bankenregulierung aussehen sollte, die zur Vielfalt der europäischen Wirtschaftsmodelle passt.“