Im März 2011 haben die hessischen Bürgerinnen und Bürger entschieden: Die Verfassung des Landes Hessen wird um eine Schuldenbremse erweitert. 70 Prozent der abgegebenen Stimmen votierten für die Verfassungsänderung. Nach Artikel 141 Hessische Verfassung (HV) gilt für das Land Hessen seit dem Jahr 2020 ein (strukturelles) Neuverschuldungsverbot. Lediglich zum Ausgleich konjunktureller Schwankungen, bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen ist eine Neuverschuldung ausnahmsweise zulässig. Sie ist jedoch zwingend mit einer Tilgungsregel zu verbinden.
Zur Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Hessische Landtag ein Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse verabschiedet, dessen Ausgestaltung sich inhaltlich an den Regelungen auf Bundesebene orientiert. In dem Gesetz werden unter anderem das Verfahren zur Ermittlung des konjunkturellen Einflusses auf den Landeshaushalt sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände geregelt.
Die Vorgaben der Schuldenbremse haben zu einer nachhaltigen Konsolidierung des Landeshaushalts beigetragen. 2016 war es – erstmals seit 1969 – nach Abschluss des Haushaltsjahres möglich, nicht nur vollständig auf die ursprünglich noch vorgesehene Nettokreditaufnahme zu verzichten, sondern bestehende Altschulden des Landes von 200 Millionen Euro zu tilgen. Dieser Abbau von Altlasten wurde 2017 bis 2019 mit jährlichen Tilgungsleistungen von je 200 Millionen Euro fortgesetzt.
Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie änderten sich 2020 die finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fundamental. Der Hessische Landtag hat aus diesem Grund am 24. März 2020 erstmals das Vorliegen einer Naturkatastrophe im Sinne des Artikel 141 Absatz 4 der Hessischen Verfassung festgestellt. Durch die Feststellung der Ausnahmesituation ist eine Kreditaufnahme zur Bewältigung der Corona-Pandemie zulässig. Dabei ist die Kreditaufnahme zwingend mit einem Tilgungsplan zu verbinden, der die Rückführung der aufgenommenen Kredite innerhalb eines angemessenen Zeitraums sicherstellt.
Zur Pandemiebewältigung wurde in Hessen das Sondervermögen Hessens gute Zukunft sichern eingerichtet und mit einer eigenen Kreditermächtigung von bis zu zwölf Milliarden Euro ausgestattet. Aus dem Sondervermögen wurden 2020 Corona-bedingte Maßnahmen von 2,1 Milliarden Euro und 2021 von knapp 1,7 Milliarden Euro finanziert. Hierfür wurden vom Land Notlagenkredite von knapp 3,6 Milliarden Euro aufgenommen. Aufgrund des Urteils des Hessischen Staatsgerichtshof vom 27. Oktober 2021 wurde das Sondervermögens zum 01. Januar 2022 aufgelöst und die pandemiebedingten Maßnahmen vollständig in den Haushalt 2022 übernommen.
Der verabschiedete Haushalt 2021 sah – ohne die Kreditaufnahme des Sondervermögens – eine Neuverschuldung von 816 Millionen Euro vor. Aufgrund erheblicher Steuermehreinnahmen im Haushaltsvollzug und sonstiger Haushaltsverbesserungen konnte nicht nur auf die ursprünglich vorgesehene Kreditfinanzierung verzichtet, sondern auch Altschulden von knapp 1,5 Milliarden Euro getilgt werden. In der Gesamtschau für 2021 steht damit den im Sondervermögen zur Bewältigung der Corona-Pandemie aufgenommenen Krediten ein gleich hoher Tilgungsbetrag im Kernhaushalt gegenüber. Ein weiterer Aufwuchs des Schuldenstandes des Landes konnte dadurch vermieden werden.
Trotz Fortschritten bei der Bewältigung der Pandemie wird das Land weiterhin mit erheblichen gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen durch die Pandemie konfrontiert. Die besondere Ausnahmesituation nach Artikel 141 Absatz 4 der Hessischen Verfassung besteht daher auch im Haushaltsjahr 2022 fort. Im Haushalt 2022 ist noch eine notlagenbedingte Kreditaufnahme in Höhe von 771 Millionen Euro veranschlagt.
Es ist geplant, die Regelgrenzen der Schuldenbremse im anstehenden Doppelhaushalt 2023/2024 wieder einzuhalten. Die Tilgung der 2020 bis 2022 aufgenommenen Notsituationskredite erfolgt ab 2024 mit mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr. Die erforderlichen jährlichen Tilgungsleistungen reduzieren hierbei im entsprechenden Umfang die zulässige Kreditaufnahmegrenze nach dem Artikel 141-Gesetz.