Grundsteuer

Finanzminister Professor Dr. Lorz zum Hessengeld und zur Reform der Grundsteuer

Im Interview mit Haus & Grund Hessen spricht Finanzminister Professor Dr. R. Alexander Lorz über die Einführung des Hessengelds und die Reform der Grundsteuer. Das Gespräch fand im Juli 2024 statt.

Sehr geehrter Herr Finanzminister, das vom Landtag verabschiedete Hessengeld soll vor allem junge Familien von der Grunderwerbsteuer entlasten – mit einer Förderung von 10.000 Euro je Käufer und 5.000 Euro je Kind unter 18 Jahren bis maximal zur Höhe der tatsächlich gezahlten Grunderwerbsteuer. Wir sehen darin einen Schritt in die richtige Richtung und begrüßen, dass damit eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag schnell umgesetzt wurde. Worin liegen nach Ihrer Ansicht die stärksten Argumente des Hessengeldes, noch zögernde Käufer zu überzeugen, den Weg Richtung Eigenheim zu wagen?

Es war uns als Landesregierung wichtig, ein schnelles Signal an bauwillige Bürgerinnen und Bürger und an die Bauwirtschaft zu senden. Deshalb setzen wir das Hessengeld als Teil des „11 + 1“–Sofortprogramms des Landes bereits um. 2024 stehen durch den Nachtragshaushalt 38 Millionen Euro für das Hessengeld bereit.

Das Hessengeld fördert keine Hedgefonds und Investmentfirmen, sondern Privatkäufer, die erstmals Eigentum schaffen und darin wohnen. Das war mir bei der Umsetzung besonders wichtig.

Werden wir einmal konkret: Mit dem Hessengeld bekommt ein Paar, das mit zwei minderjährigen Kindern in die erste eigene Wohnimmobilie einzieht, bis zu 30.000 Euro. Bei einem Kaufpreis bis zu 500.000 Euro wird damit die komplette Grunderwerbsteuer erstattet.

Weshalb sieht das Land davon ab, die mit 6 Prozent auch im Ländervergleich hohe Grunderwerbsteuer abzusenken? Bayern nimmt 3,5 Prozent Grunderwerbsteuer. Ist das nicht ein Standortnachteil für Hessen?

Mit dem Hessengeld wird für viele Bürgerinnen und Bürger die Grunderwerbsteuer sogar komplett abgedeckt – das ist bundesweit einmalig und ganz im Gegenteil ein klarer Standortvorteil für Hessen. Mit der jüngsten Steuerschätzung wurden die Einnahmenperspektiven für das Land nochmals deutlich nach unten korrigiert. Bis 2027 fehlen insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig sehe ich mich als Finanzminister aktuell einer dynamischen Ausgabenentwicklung an vielen Stellen im Landeshaushalt gegenüber. Da heißt es, Schwerpunkte setzen und gleichzeitig die Schuldenbremse einhalten. In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation müssen wir noch mehr abwägen, was wir uns noch leisten können.

Ich stehe aber auch dafür, dass es weiterhin möglich ist, gezielt politische Schwerpunkte umzusetzen. Eine noch über das Hessengeld hinausgehende generelle Absenkung des Grunderwerbsteuersatzes – so wünschenswert sie sicherlich wäre – ist aber finanziell aktuell nicht darstellbar.

Das Hessengeld bedeutet auch, dass Eigentümer in Vorleistung gehen müssen und zunächst dem Land einen Grunderwerbsteuerbetrag X zahlen, der ihnen dann über die Zeit von zehn Jahren wieder zurückgezahlt wird. Warum wird das Hessengeld nicht einmalig ausgezahlt?

Wir zahlen das Hessengeld in zehn Tranchen aus, weil wir uns damit systematisch in die Finanzierungsstrukturen des Immobilienbereichs eingliedern. Auch für die Finanzierungsdarlehen sind derzeit Laufzeiten von zehn Jahren üblich. Durch die Verteilung auf die Jahre können die jährlichen Zins- und Tilgungszahlungen reduziert und die Käufer entsprechend entlastet werden.

Zudem beabsichtigen wir, das Hessengeld abtretbar und verpfändbar auszugestalten. Ich bin mir sicher, dass der eine oder andere Bauträger oder auch die eine oder andere Bank mit der Sicherheit eines Bewilligungsbescheides über das Hessengeld im Rücken hier findige Lösungen anbieten wird.

Können Käufer von Immobilien sich darauf verlassen, dass die Raten bis zum Schluss geleistet werden – auch wenn sich möglicherweise ihre Lebensumstände verändern?

Ja! Jeder Hessengeldberechtigte erhält einen Zuwendungsbescheid, der die gesamte Laufzeit von zehn Jahren abdeckt.  Eine Aufhebung des Zuwendungsbescheids mit einer Pflicht zur Rückzahlung bereits erhaltener Zuwendungen ist nur für die Fälle vorgesehen, in denen die Bewilligung – trotz der vorgesehenen Plausibilitätsprüfungen – etwa mittels unrichtiger Angaben oder sogar arglistiger Täuschung erschlichen wurde. 

Ein weiteres Thema, das privaten Immobilieneigentümern unter den Nägeln brennt, ist die Grundsteuer. Hier gilt das Versprechen des damaligen Bundesfinanzministers Olaf Scholz bei der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag 2019, die Reform solle „aufkommensneutral“ umgesetzt und von den Kommunen nicht für versteckte Steuererhöhungen genutzt werden. Die Bezugsgröße soll jedoch der Hebesatz 2024 sein – und etliche hessische Kommunen haben in jüngster Zeit ihre Hebesätze kräftig angehoben. Hat die Praxis das Versprechen damit nicht ad absurdum geführt?

Nein, das hat sie nicht. 

Der Bund der Steuerzahler Hessen, der die Entwicklungen sehr genau beobachtet, sagt, ich zitiere: „Es gibt keinen Trend zu vermehrten Erhöhungen im Vorfeld der Grundsteuerreform. Was wir mit unseren Daten nicht bestätigen können, ist die Befürchtung, dass die hessischen Städte und Gemeinden vor Inkrafttreten der reformierten Grundsteuer 2025 noch schnell auf breiter Front ihre Hebesätze erhöhen.“

Amtliche Statistiken zu den Hebesätzen bestätigen dies. Lange vor der Grundsteuerreform – hier im Zeitraum von 2013 bis 2016 – gab es in etwa dreimal so viele Hebesatzerhöhungen wie im Dreijahres-Zeitraum kurz vor der Reform.

2024 ist für die Hebesatzermittlung das richtige Bezugsjahr. Aufkommensneutralität bedeutet doch, dass mit dem Jahreswechsel 2024/2025 das Grundsteueraufkommen weder einbrechen noch sich aufblähen soll, nur weil gerade Reform ist.

Würde man stattdessen zum Beispiel die Hebesätze von 2019 als Bezugsgröße nehmen, weil 2019 der Bund das neue Grundsteuergesetz verabschiedete, würde man alle ab 2020 erfolgten Hebesatzänderungen – auch die Senkungen – quasi rückabwickeln. Das darf nicht sein.

Die Landesregierung hat im Juni eine Liste mit Hebesatzempfehlungen für die neue Grundsteuer veröffentlicht. Darin ist für jede Kommune der individuelle Hebesatz für diese Aufkommensneutralität genannt – als Grundlage für die kommunalen Haushaltsberatungen 2025. Reicht Ihrer Ansicht nach eine solche Liste, dass die Kommunen die Grundsteuerreform tatsächlich aufkommensneutral umsetzen?

Unsere Absicht ist es, Transparenz und Nachvollziehbarkeit herzustellen. Ob eine Kommune Steuern erhöhen muss, entscheidet jede Kommune selbst. Das ist und bleibt ihr gutes Recht.

Wie bewerten Sie grundsätzlich die Umsetzung der Grundsteuerreform in Hessen?

Hessen hat die größte Steuerreform der vergangenen Jahrzehnte fast abgeschlossen. Die Hessische Steuerverwaltung konnte dabei auch dank des enormen Engagements der Beschäftigten im Zeitplan bleiben. In über 95 Prozent aller hessischen Grundsteuerfälle konnte bereits ein Bescheid über den Grundsteuermessbetrag versandt werden. Ausweislich der niedrigen Einspruchsquote ist die Akzeptanz der hessischen Eigentümerinnen und Eigentümer sehr hoch.

Maßgeblich dazu beigetragen hat das Abweichen vom komplizierten Bundesmodell. Das Hessische Grundsteuergesetz ist vergleichsweise einfach, verständlich und vor allem verfassungsfest. In der Umsetzung waren die konsequente Durchsetzung der Verpflichtung zur digitalen Abgabe der Daten und der Einsatz einer hochmodernen IT wichtige Erfolgsfaktoren. Über 90 Prozent der Erklärungen wurden elektronisch abgegeben und über 40 Prozent aller Steuererklärungen konnten vollautomatisiert bearbeitet werden.

Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat unseren Beschäftigten geholfen, mit der kaum vorstellbaren Masse von fast drei Millionen Einzelfällen gut und zügig voranzukommen. Beim Einsatz von KI ist die Hessische Steuerverwaltung übrigens ganz weit vorne – während viele über KI sprechen, haben wir bereits erste Anwendungen im Einsatz! Das funktioniert natürlich nur mit motivierten Beschäftigten. So haben wir die Erreichbarkeit der Finanzämter für die Bürgerinnen und Bürger vorübergehend auch samstags ermöglicht. Wir haben die Grundsteuerreform mit einer Informationskampagne auf vielen Kanälen begleitet. Die umfangreiche und transparente Kommunikation schlägt sich auch in den Zahlen nieder: Seit Anfang 2022 gab es über vier Millionen Zugriffe auf die Infoseite grundsteuer.hessen.de und über 700.000 beantwortete Anrufe im Bürgerservice der Finanzämter. Ein Dank gilt aber auch den Bürgerinnen und Bürgern: Sie haben umfassend mitgewirkt und gezeigt, dass ihnen digitalisierte Prozesse zuzutrauen sind!

In Hessen haben wir Einspruchsquoten von rund zehn Prozent gegen die Grundsteuerwertbescheide, in Bundesländern mit Bundesmodell wie etwa in NRW oder Rheinland-Pfalz liegen die Einspruchsquoten bei etwa 50 Prozent. Worin sehen Sie den Hauptgrund für die größere Akzeptanz?

Die Länder, die grundlegend vom Bundesmodell abweichen, haben dazu relativ einfache Gesetze beschlossen. Das zahlt sich jetzt in der Praxis aus.

Das Bundesmodell ermittelt ja typisierte, also eher ungenaue Grundstückswerte. Weichen diese Werte von den subjektiven Werteinschätzungen der Eigentümerinnen und Eigentümer ab, gibt es schon Anlass für Diskussionen mit dem Finanzamt. Der Bundesfinanzhof hat gerade zu zwei Fällen aus Rheinland-Pfalz ausgeführt, dass Steuerpflichtige die Möglichkeit haben müssen, einen niedrigeren Immobilienwert nachzuweisen, wenn er den vom Finanzamt ermittelten Wert deutlich unterschreitet.

Auch der sehr komplizierte Rechenweg im Bundesmodell ist nicht gerade vertrauensfördernd. Zudem haben wohl die kritischen Stimmen renommierter Wissenschaftler im Gesetzgebungsverfahren zum Bundesmodell und auch danach viele Bürgerinnen und Bürger hellhörig gemacht.

Bei den Flächenmodellen der Abweichungsländer gibt es viel weniger zu streiten, weil weniger Parameter eine Rolle spielen und diese zudem objektiv leicht feststellbar sind. Das führt letztlich auch zu größerer Akzeptanz.

Es hätten noch mehr Länder einen einfachen Weg einschlagen können; lag doch im Neustart der Grundsteuer die große Chance für eine Steuervereinfachung. Geworben haben wir reichlich dafür.

Dass wir in Hessen keine Grundsteuerwertbescheide verschicken – wir haben ja kein Wertmodell –, sondern nur die Bescheide über den Grundsteuermessbetrag, ist ein Erfolg der Nutzung der Länderöffnungsklausel. Wir sparen dadurch eine ganze Verfahrensstufe.

Erschienen in: „Haus & Grund – Hauseigentümer-Magazin in Hessen“, Ausgabe 8/2024, S. 3-5, Haus & Grund Hessen - Landesverband der Hessischen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e. V., Jedermann-Verlag GmbH, Heidelberg.

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