Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir leben in herausfordernden Zeiten. Das steht außer Frage. Die Hessische Landesregierung stellt sich in dieser Situation ihrer Verantwortung. Sie trifft auch in schwierigen Situationen die Entscheidungen, die es braucht, um unser Land weiter auf Kurs zu halten. Ich möchte mich daher im Namen der Landesregierung ausdrücklich dafür bedanken, dass der Hessische Landtag heute kurzfristig zu diesem Sonderplenum zusammengekommen ist, damit ich Ihnen unsere Pläne vorstellen kann.
Die vergangenen Monate haben uns gezeigt, wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern können. Die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Merz hat neue grundgesetzliche Möglichkeiten und Chancen geschaffen, den Verschuldungsspielraum der Länder zu erhöhen und die finanziell schwierigen Zeiten besser zu meistern. Damit verbunden ist die Möglichkeit, unsere Kommunen finanziell zu unterstützen. Und genau diese Unterstützung ist der Hauptgrund für den Nachtragshaushalt, den wir heute in den Landtag einbringen. Wir wollen auch in schwierigen Zeiten an der Zukunft Hessens bauen und zeigen damit, dass Hessen auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig ist und gestärkt wird – für die Menschen in unserem Land, für unsere Kommunen und für die Unternehmen, die den Wohlstand sichern.
Was beinhaltet der Nachtragshaushalt?
- Wir unterstützen mit einer Soforthilfe schnell und unbürokratisch unsere hessischen Kommunen, die Tag für Tag Hervorragendes für unser Gemeinwesen leisten. Und wir unterstützen das Universitätsklinikum in Frankfurt und zeigen uns damit als zuverlässiger Partner für die Gesundheitsversorgung in unserem Land.
- Wir decken neue Mehrbedarfe des Haushaltes 2025 ab und weisen diese offen und transparent aus. Wir tragen damit dem Grundsatz der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit Rechnung. Und wir treffen Vorsorge und Absicherung für zukünftige Haushalte, um auch in kommenden Jahren handlungsfähig zu bleiben.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sind aktuell immer noch nicht zufriedenstellend. Wenngleich die neue Bundesregierung den Umschwung eingeleitet hat, so braucht es Zeit, bis sich die Wachstumseffekte zeigen. Das Bruttoinlandsprodukt tritt seit sechs Jahren auf der Stelle. Bei der realen Wirtschaftsleistung liegen wir aktuell auf dem Niveau des Jahres 2019. Das bedeutet sechs verlorene Jahre! Eine solche wirtschaftliche Durststrecke gab es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie!
Die hessische Wirtschaft hat sich übrigens in den vergangenen Jahren im Ländervergleich noch gut geschlagen: In den Jahren 2021 bis 2024 ist sie durchgängig stärker gewachsen als der Bundesdurchschnitt. Selbst in den Rezessionsjahren 2023 und 2024 konnte unsere Wirtschaft nach den vorliegenden statistischen Zahlen ein kleines Plus von 0,4% bzw. 0,6% erzielen. Das zeigt: Hessen ist ein starkes und gut regiertes Land, und wir wollen, dass das auch in Zukunft so bleibt! Die langanhaltende wirtschaftliche Schwächephase macht mittlerweile auch vor dem Arbeitsmarkt nicht mehr halt. Die Arbeitslosigkeit ist zuletzt kontinuierlich gestiegen.
Das muss uns alle mit Sorge erfüllen. Wir brauchen endlich eine Trendwende beim Wirtschaftswachstum.
Und natürlich wirkt sich die schwächelnde Wirtschaft auch auf die Zahlen des Landeshaushalts aus. Alleine aufgrund des fehlenden Wirtschaftswachstums fehlen für sich genommen rund zwei Milliarden Euro Steuereinnahmen. Im Hinterkopf müssen wir zudem die Mindereinnahmen aufgrund der zahlreichen Steuerrechtsänderungen der vergangenen Jahre behalten. Diese summieren sich für Hessen noch einmal überschlägig auf rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Alles zusammengenommen kommen wir damit auf eine Lücke in einer Größenordnung von rund 3,5 Milliarden Euro.
Die Ergebnisse der Herbststeuerschätzung – auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde – sind vor diesem Hintergrund ein erster kleiner Lichtblick. Sie ändern allerdings insbesondere nichts an den tiefen Spuren, die die Wachstumskrise auf der Einnahmeseite hinterlassen hat. Gleichzeitig sind die Ausgaben im Landeshaushalt inflationsgetrieben stark angestiegen. Das gilt vor allem für die Personalausgaben, bei denen sich insbesondere die hohen Tarif- und Besoldungsrunden auswirken. Über die Einzelheiten werden wir noch ausführlich im Zusammenhang mit dem Haushaltsentwurf 2026 in 14 Tagen diskutieren können.
Beides zusammen – stagnierende Einnahmen und steigende Ausgaben – führten jedenfalls dazu, dass der Landeshaushalt aktuell – und auch perspektivisch – unter einem großen Druck steht.
Auf kommunaler Ebene zeigt sich ebenfalls eine besorgniserregende Entwicklung: 2024 verzeichneten die hessischen Kommunen ein Defizit von 2,6 Milliarden Euro. Kostentreiber sind dort neben den Personalausgaben vor allem die Sozialleistungen, die in aller Regel auf bundesgesetzlichen Vorgaben beruhen. Es ist deshalb richtig und vor allem sehr wichtig, dass sich Bund und Länder unter Beteiligung der Kommunalen Spitzenverbände derzeit darüber austauschen, wie dem Grundsatz „wer bestellt, bezahlt“ auf der Bundesebene zukünftig noch stärker Rechnung getragen werden kann. Fachleute sprechen hier von der sogenannten „Veranlassungskonnexität“. Das Ziel muss also sein, dass die Kosten neuer Bundesregelungen nicht mehr dauerhaft und zusätzlich den Landes- und Kommunalhaushalten aufgebürdet werden.
In diesem Zusammenhang will ich an die erfolgreichen Verhandlungen der Ministerpräsidenten bei der Finanzierung der Steuerausfälle von Kommunen und Ländern durch den sogenannten Wachstumsbooster Mitte des Jahres erinnern. Die Arbeitsgruppe zur Veranlassungskonnexität zwischen Bund, Ländern und Kommunen begrüße ich daher ausdrücklich und bin auf die Ergebnisse gespannt. In Hessen arbeiten wir mit unseren Kommunen im Rahmen der Zukunftswerkstatt gemeinsam und nach meiner Wahrnehmung auch sehr konstruktiv an Lösungen zur Entlastung der kommunalen Ebene.
Das alles wird sich nicht kurzfristig realisieren lassen. Hier sind gerade auf Bundesebene dicke Bretter zu bohren. Unsere hessischen Kommunen benötigen aber bereits jetzt Hilfe und Geld.
Der nun vorliegende Nachtragshaushalt legt daher einen klaren Fokus auf die Unterstützung unserer Gemeinden, Städte und Landkreise.
Angesichts der angespannten Finanzlage des Landeshaushalts nutzen wir die Möglichkeiten der Grundgesetzänderung aus dem Frühjahr dieses Jahres, die erst vor wenigen Tagen final gesetzlich umgesetzt wurden. Diese räumt den Ländern ab dem Jahr 2025 einen strukturellen Verschuldungsspielraum in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein. Das, was bislang nur für den Bund galt, gilt damit jetzt auch für die Länder. Bundestag und Bundesrat haben am 10. beziehungsweise am 17. Oktober das sogenannte „Strukturkomponente-für-Länder-Gesetz“ beschlossen. Darin wird genau geregelt, welcher Anteil der Strukturkomponente auf jedes einzelne Land entfällt. Bei einem maßgeblichen Bruttoinlandsprodukt in Höhe von rund 4,3 Billionen Euro beträgt die Strukturkomponente für die Länder rund 15 Milliarden Euro.
Auf Hessen entfallen davon im Jahr 2025 7,4 Prozent. Das entspricht einem Betrag von rund 1,1 Milliarden Euro.
Die mit dem Nachtragshaushalt verbundene zusätzliche Nettokreditaufnahme ist kein Freibrief für ein munteres „Wünsch-Dir-Was“. Sie können daher im Nachtragshaushalt auch lange nach neuen Programmen oder Projekten der Ressorts suchen. Sie werden keine finden. Das zeigt, wie überlegt wir an dieser Stelle vorgehen.
Wir verfolgen – wie ich eingangs bereits gesagt habe – mit dem Nachtragshaushalt 2025 zwei zentrale Ziele: Wir stärken unsere hessischen Kommunen und das Uniklinikum Frankfurt zusammen mit 500 Millionen Euro, und wir betreiben in ähnlichem Umfang Vorsorge für bereits absehbare, künftige Herausforderungen.
Lassen Sie mich zunächst noch einmal zur Unterstützung der Kommunen ausführen. Für sie stellen wir eine Soforthilfe im Umfang von 300 Millionen Euro zur Verfügung. Dazu darf ich hervorheben: Hessen kümmert sich seit Jahren sehr intensiv um seine Kommunen und unterstützt sie finanziell in großem Umfang. Das zeigt sich an Programmen wie der Hessenkasse oder beim Kommunalen Finanzausgleich, der 2026 auf ein neues Rekordniveau steigt. Wir bieten Unterstützung, soweit wir das finanziell irgendwie können. Das zeigt sich auch daran, dass wir uns beim Bund erfolgreich dafür eingesetzt haben, dass die Steuerausfälle der Kommunen auf Grund des sogenannten „Wachstumsboosters“ durch einen höheren Umsatzsteuerfestbetrag für die Gemeinden kompensiert werden. Die hessischen Kommunen erhalten dadurch weitere 1,15 Milliarden Euro.
Die im Nachtragshaushalt vorgesehenen 300 Millionen werden wir, wenn dieses Hohe Haus zustimmt, unbürokratisch und antragslos noch im laufenden Jahr auszahlen und stehen den Kommunen ohne Zweckbindung zur Verfügung. Ich freue mich in diesem Zusammenhang auch darüber, dass wir uns zur Verteilung der Mittel innerhalb der kommunalen Familie mit den Spitzenverbänden bereits geeinigt haben.
Außerdem treffen wir Vorsorge für künftige Herausforderungen, indem wir die Rücklagen des Landes um 500 Millionen Euro stärken.
Und natürlich gibt es immer wieder auch „normale“ Haushaltsrisiken, die wir kurzfristig finanzieren müssen. Hierfür finden Sie im Nachtragshaushalt drei Beispiele: 60 Millionen Euro stellen wir für einen Grunderwerb im Rahmen eines Neubauprojekts der Polizei zur Verfügung. Wegen der gestiegenen Schülerzahlen benötigen wir 20 Millionen Euro für weitere Lehrerinnen und Lehrer. Und mit 35 Millionen Euro decken wir zwangsläufige Mehrbedarfe im Bereich der Gesundheitskosten für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Dies zusammen macht rund 115 Millionen Euro aus.
Alles zusammengenommen summieren sich die von mir beschriebenen Maßnahmen auf 1,15 Milliarden Euro. Diesem Betrag steht eine gleich hohe zusätzliche Kreditaufnahme gegenüber.
Lassen sie mich an dieser Stelle noch kurz etwas zum insgesamt erfreulichen Ergebnis der Herbststeuerschätzung sagen, deren auf Hessen heruntergebrochene Zahlen wir heute veröffentlichen konnten. Die Steuerschätzung geht davon aus, dass wir in diesem Jahr mit Mehreinnahmen in der Höhe von 600 Millionen Euro rechnen können. Wenn sich diese Schätzung am Ende des Jahres bewahrheitet, wäre das natürlich erfreulich.
Im Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse ist allerdings klar geregelt, wie wir diese Steuereinnahmen verwenden müssen. Danach reduzieren konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen im Vollzug die zulässige Kredithöchstgrenze. Das bedeutet, dass die Neuverschuldung des Landes im Jahr 2025 am Ende signifikant niedriger ausfallen wird, als wir es jetzt noch im Nachtragsentwurf ausweisen. Gleichzeitig wird deutlich: Auch mit dem neuen strukturellen Verschuldungsspielraum wirkt die Schuldenbremse weiterhin. Das ist gut so, denn es zeigt, dass die Schuldenbremse auch weiterhin für stabile und nachhaltige Staatsfinanzen steht.
Schon in zwei Wochen werden wir an dieser Stelle mit dem Haushaltsentwurf 2026 und der Finanzplanung bis 2029 die Finanzpolitik des Landes in den kommenden Jahren beraten. Diese wird, so viel will ich vorwegnehmen, auch weiterhin von einem Dreiklang aus Konsolidieren, Investieren und Modernisieren geprägt sein. Die schwachen Wachstumsperspektiven, aber auch die krisenbedingten Mehrbelastungen auf der Ausgabenseite führen dazu, dass dem Landeshaushalt auf absehbare Zeit jährlich rund 3 Milliarden Euro fehlen. Hessen wird daher auch 2026 die nach der Schuldenbremse zulässige strukturelle und konjunkturelle Neuverschuldung von rund 1,8 Milliarden Euro nutzen.
Der Haushalt 2026 wird – wie der Nachtrag 2025 – wiederum einen besonderen Schwerpunkt auf die Kommunen legen. Wir sind und bleiben ein verlässlicher Partner.
Bund und Länder müssen jetzt schnell die Weichen für mehr Wachstum stellen. Gleichzeitig müssen wir aber auch in Hessen handeln. Mit dem heute zu beratenden Nachtragshaushalt tun wir dies.