Separate EU-Regulierungsregime abhängig von Systemrelevanz und Geschäftsmodell

Ein Diskussionspapier des Hessischen Ministeriums der Finanzen, das durch viele Analysen und Gespräche entstanden ist: Es soll einen Anstoß geben für eine Debatte angesichts drohender Auswirkungen der aktuellen EU-Bankenregulierung auf die deutsche Finanz- und Realwirtschaft.

Executive Summary

Die Überprüfung der gängigen These „Deutschland is overbanked“ als Erklärung für die Ertragsschwäche deutscher Banken ergibt, dass die Ertragsschwäche nicht auf die hohe Anzahl kleinerer Institute zurückzuführen ist, sondern multikausale Ursachen hat. Diese sind vor allem bei Landes- und Großbanken auszumachen.

„Germany is overbanked“ muss man daher als rein regulatorische These verstehen. Dazu passt die teilweise verbreitete Meinung, dass aus Finanzstabilitätsgesichtspunkten ein Oligopol weniger Großbanken für Europa von Vorteil sei.

Der Konsolidierungsdruck kleinerer Institute entspringt zu einem großen Teil regulatorischen Belastungen. Deutschland hat überdurchschnittlich viele, regional ausgerichtete kleinere und mittlere Banken. Damit trifft die Belastung der weitgehend größenunabhängigen EU-Regulierung Deutschland besonders.

Die Regulierung der Banken mit dem Druck zur Zentralisierung bedroht die dezentrale deutsche Finanz- und Realwirtschaft, letztlich die dezentrale wirtschaftliche Struktur Deutschlands. Denn die Finanzwirtschaft ist ein Hebel für Veränderungen in der Realwirtschaft (evident: Sustainable Finance Regulierung der EU).

Unabhängig von rein geschäftspolitischen Entscheidungen ist deshalb eine Richtungsänderung in der EU-Bankenregulierung notwendig:

  • Die Regulierung muss Regionalbanken den notwendigen Raum belassen, damit sie ihre Vorzüge für die Volkswirtschaft weiterhin zur Geltung bringen.
  • Institute, die gesamteuropäisch ausgerichtet sind, sollten in der Bankenunion voranschreiten können.

Die anstehende Umsetzung von Basel III final und die parallele Diskussion um die Bankenunion bietet eine einmalige Chance, um die notwendige Richtungsänderung anzugehen.

A. Einleitung

Seit vielen Jahren verfestigen Aufseher und EU-Institutionen durch öffentliche Äußerungen die Erzählung „Germany is overbanked“. Im gleichen Atemzug wird darauf verwiesen, dass deutsche Banken extrem ertragsschwach sind. Fusionen sowie ein Abbau von Filialen und Arbeitsplätzen seien der einzige Weg aus dieser Situation.

Durch eine weitreichende Untersuchung, ergänzt durch zahlreiche Gespräche mit Branchenvertretern, Wissenschaftlern und anderen Akteuren, konnte Klarheit über die Verfasstheit der deutschen Kreditwirtschaft gewonnen werden.

Die nachfolgend dargestellten Untersuchungsergebnisse lassen sich wie folgt einteilen:

I. „Germany is overbanked“ ist eine Legende

II. Regulierung wirkt als Katalysator einer für Deutschland nachteiligen Zentralisierung der deutschen Finanz- und Realwirtschaft

III. Handlungsempfehlung

B. Hauptteil

I. „Germany is overbanked“ ist eine Legende

Die auf europäischer Ebene weit verbreitete Auffassung, veröffentlicht in einer Vielzahl von Artikeln, lautet: Germany is overbanked.

Der deutsche Bankenmarkt müsse sich konsolidieren. Die Regulatorik sei nicht der wesentliche Faktor, der Kreditinstitute belaste und Ertrag nehme. Vielmehr sei der Überhang an Banken die Ursache der schlechten Ertragslage deutscher Kreditinstitute. Damit wird die Ertragslage zum zentralen Gradmesser dafür, ob ein Land „overbanked“ ist.

1. Anzahl der Banken als untauglicher Beweis

a. Definition: „Overbanked“ ist eine Volkswirtschaft, wenn ein Überangebot an Bankdienstleistungen im Vergleich zur Nachfrage besteht.

b. Ergebnis: Deutschland ist strukturell nicht overbanked, denn ein solches Überangebot kann nicht festgestellt werden

c. Begründung:

i. In einem „Occasional Paper“ der EZB leiten die Autoren ein solches Überangebot insbesondere aus der großen Anzahl selbstständiger Kreditinstitute in Deutschland ab. Folge sei ein zu hoher Wettbewerbsdruck.

Dies ist eine unzulässige Folgerung. Denn: Aufgrund des Regionalprinzips machen sich die einzelnen Sparkassen (2020: 377) sowie die einzelnen Genossenschaftsbanken (2020: 871) unter den deutschen Kreditinstituten (2020: insgesamt 1501) untereinander keinen Wettbewerb.

Zudem: In Deutschland besteht Konsolidierungsspielraum vorwiegend innerhalb der Verbünde. Selbst wenn deutsche Sparkassen und Genossenschaftsbanken jeweils zu einem Konzern zusammengefasst würden, würde der Wettbewerbsdruck unter den Banken nicht abnehmen.

ii. Festzustellen ist schließlich, dass Banken aus dem EU-Ausland und Drittstaaten in den deutschen Markt drängen. Der Wettbewerbsdruck ist also aus Sicht dieser Auslandsbanken im Abgleich mit den Möglichkeiten des deutschen Marktes nicht unangemessen hoch.

2. Schlechte Ertragslage multikausal verursacht

Nach einer eingehenden Untersuchung der deutschen Bankenlandschaft im Vergleich mit ausgewählten anderen europäischen Ländern ist die Ertragsschwäche der deutschen Banken multikausal verursacht und zeigt sich insbesondere bei Groß- und Landesbanken. Wesentliche Einflüsse sind:

a. Keine Quersubventionierung des Bankings durch Erträge aus anderen Sparten. In Frankreich etwa sind Bankkonzerne Allfinanzkonzerne, zu denen auch die Sparten „Versicherung“ und „Leasing“ gehören.

b. Geschäftspolitische Entscheidungen, zum Beispiel Zurückhaltung bei ertragreichen Konsumfinanzierungen am point of sale. Hier sind deutsche Töchter ausländischer Banken stark.

c. Eine Studie zu den Geschäftsmodellen europäischer Banken zeigt, dass deutsche Groß- und Landesbanken sehr viel weniger im Handel mit Finanzinstrumenten engagiert sind und – pointiert formuliert – stärker die Finanzierung der Realwirtschaft als ihre Aufgabe sehen.

d. Rückzug deutscher Banken aus dem Investment-Banking

e. Attraktive Kundenstruktur in Deutschland erzeugt Wettbewerbs- und Preisdruck, der spiegelbildlich günstige Finanzierungsbedingungen und Preise für Kunden bedeutet.

3. Oligopol ertragsstarker Großbanken als Lösung?

a. Im Zusammenhang mit der Ertragslage wird in der Regel auf Länder mit stärker konzentrierten Bankenmärkten verwiesen. Damit entsteht der Eindruck, dass oligopolartige Bankenmärkte erstrebenswert seien.

b. Auch die Finanzstabilität wird als Argument herangezogen: Große und diversifizierte Banken könnten Verluste aus nichtsystemischen Schocks leichter durch Gewinne in anderen Geschäftsbereichen ausgleichen. Die wesentliche Erkenntnis der letzten Finanzkrise, das Problem des „too-big-to-fail“, wird nicht mehr diskutiert.

Diese Sicht kann sich im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen: Eine Passage in der Einlagensicherungsrichtlinie besagt, dass ein Einlagensicherungssystem eines Landes unter bestimmten Voraussetzungen – die auf Frankreich passen – eine geringere Mindestzielausstattung von 0,5 Prozent statt 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen haben kann. Eine dieser Voraussetzungen ist ein hoher Konzentrationsgrad.

c. Der isolierte Hinweis auf die Ertragslage von Banken suggeriert: Gute Erträge von Banken sind gut für die Volkswirtschaft. Tatsächlich sind für Staaten, bei denen Banken eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung (zum Beispiel Frankreich) haben, ertragsstarke Banken per se wichtiger als deren Verknüpfung zur Realwirtschaft. In Deutschland ist die Bedeutung des Bankensektors gegenüber jener der Realwirtschaft geringer. Daher ist in Deutschland die dienende Funktion der Banken zur Finanzierung der Industrie wichtiger. Die Wechselwirkung zu einer Volkswirtschaft insgesamt, in der Banken agieren, wird bei der Diskussion auf EU-Ebene ausgeblendet.

Auch die Debatte um die gemeinsame europäische Einlagensicherung (EDIS) zeigt, dass der isolierte Blick auf die Ertragslage von Banken zu kurz greift. Denn das Land, das wegen seiner nach EU-Logik „schwachen“ Banken Bankpleiten befürchten müsste (Deutschland), stemmt sich bisher gegen diese Vergemeinschaftung, während Länder mit vermeintlich „starken“ Banken, wie etwa Spanien, sie fordern.

II. Regulierung wirkt als Katalysator einer für Deutschland nachteiligen Zentralisierung der deutschen Finanz- und Realwirtschaft

1. Wirkung der Regulierung als Hebel

Die Finanzwirtschaft ist ein Hebel für Veränderungen in der Realwirtschaft. Anders ausgedrückt: Wer Banken reguliert, reguliert immer auch die Realwirtschaft.

Am deutlichsten wird dies aktuell beim Thema „Nachhaltiges Finanzwesen“: So wird der Umbau der Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit über den Hebel der Finanzmarktregulierung vorangetrieben. Dies ist auch erklärtes Ziel der Sustainable Finance Regulierung und deren kleinteiligen Vorgaben (zum Beispiel Taxonomie).

2. Befunde zur EU-Bankenregulierung

a. Single-Rulebook-Politik der EU

Die EU verfolgt in der Bankenregulierung nach wie vor einen „Single-Rulebook-Ansatz“: Die Regeln gelten im Wesentlichen für alle Banken, unabhängig von ihrer Größe („One-size-fits-all“). Diese einheitliche Vorgehensweise stammt aus der Zeit der Aufarbeitung der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 und wird bis heute beibehalten, obwohl sich die Umstände inzwischen anders darstellen. Zudem ist Finanzstabilität auch ohne systematische Gleichbehandlung aller Banken möglich.

Einer der Gründe für „One-size-fits-all“ ist in der supranationalen Struktur der EU zu suchen. Jede durch mitgliedsstaatliche Sondersituationen begründete Ausnahme weckt auch bei anderen Mitgliedstaaten Begehrlichkeiten.

Andere Länder (zum Beispiel Schweiz, USA, Großbritannien) sind von diesem Prinzip bereits abgerückt und nutzen differenzierte Ansätze für unterschiedlich große und unterschiedlich relevante Akteure.

b. „Small Banking Box“ war kein großer Wurf

Die 2019 eingeführte „Small Banking Box“ hat die regulatorische Belastung (für Institute mit einer Bilanzsumme von weniger als fünf Milliarden Euro) nicht wirklich gesenkt. Folge: Weiterhin leiden insbesondere kleine Institute unter einer starken operativen Belastung, da sie die Baseler Vorgaben für internationale Großbanken weitgehend erfüllen müssen. Hinzu kommt, dass mittlere Banken, die deutlich weniger oder gar nicht international agieren, von den Erleichterungen ebenfalls nicht profitieren.

3. Besondere deutsche Betroffenheit durch Regulierung

a. Gerade in Deutschland mit seinem Drei-Säulen-System gibt es eine Vielzahl derartiger kleinerer und mittlerer Institute. Die deutsche Bankenwirtschaft ist daher überdurchschnittlich stark von regulatorischen Belastungen betroffen.

b. Deutschland ist – historisch gewachsen - durch eine dezentrale Struktur der Realwirtschaft gekennzeichnet. Auch die Finanzierung dieser Wirtschaft ist folglich dezentral organisiert. Die Kreditversorgung in der Fläche übernehmen im Wesentlichen die Verbundbanken. Sie sind de facto Regionalbanken.

c.

i. Diese parallele Struktur von Finanz- und Realwirtschaft wird in einer geo-graphischen Darstellung sehr deutlich. Die im Anhang befindliche Abbildung lässt erkennen: In Deutschland hat in nahezu jeder Stadt oder Landkreis (die Darstellung folgt der von der EU verwendeten Einteilung „Nuts-3-Ebene“ für die unterste regional berücksichtigte Einheit) mindestens ein Kreditinstitut seinen Hauptsitz. Rechtlich selbständige Unternehmen mit 250 bis 499 Mitarbeitern sind in unterschiedlicher Konzentration über das ganze Land verteilt.

ii. Für andere EU-Mitgliedstaaten sind diese Daten nicht verfügbar – auch, weil es diese Firmen von 250 bis 499 außerhalb Deutschlands kaum gibt. In der Konsequenz wird in Statistiken der EU ab einer Mitarbeiterzahl von 250 hinsichtlich der Zahl der Arbeitnehmer nicht weiter differenziert. Statistisch gehören solche Unternehmen in dieselbe Kategorie wie Großunternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern.

iii. Ein Vergleich der Wirtschaftsstrukturen verschiedener Staaten unter dem Aspekt der räumlichen Verteilung von Unternehmen kann deshalb nur mittels einer Hilfsgröße erfolgen. Die Bruttowertschöpfung eines Gebietes pro Einwohner kann hier als Näherungswert herangezogen werden.

Die im Anhang befindlichen Abbildungen machen die - historisch sehr unterschiedlich gewachsenen - Strukturen in Frankreich und Deutschland als Beispiele für Zentralität und Dezentralität deutlich: Einmal mit einem Zentrum, das die anderen Regionen deutlich übertrifft, und im anderen Fall mit einer multizentristischen Struktur, in der verschiedene, weit auseinanderliegende Regionen zwar eine sehr große, aber keine alle überragende Position einnehmen.

iv. Die Vielzahl der deutschen „mittelständischen“ Unternehmen und deren räumliche Verteilung ist in Europa einzigartig. Solche Besonderheiten finden bei EU-Darstellungen keinen Niederschlag, zum Beispiel schon dann, wenn es darum geht, Unternehmen zu klassifizieren: Wenn die EU für „KMU“ (kleine und mittlere Unternehmen) Ausnahmen vorsieht, sind diese (in der großen Mehrzahl deutschen) Unternehmen nicht automatisch mit erfasst.

4. Die Regulierung der Kreditinstitute bedroht die Struktur der deutschen Realwirtschaft

a. Regulatorische Kostenbelastungen, und nicht allein ökonomische Gründe im engeren Sinne, führen zunehmend zu einer Zentralisierung der deutschen Bankenlandschaft.

b. Die funktionierende Zusammenarbeit zwischen einer dezentral organisierten Bankwirtschaft und einer in gleicher Weise strukturierten Realwirtschaft wird geschwächt.

c. Es lässt sich zeigen, dass gerade in kritischen Situationen die Nähe von Kreditinstituten mit uneingeschränkter Entscheidungskompetenz vor Ort (funktional dezentrale Entscheidungsstruktur) für Unternehmen positiv ist.

d. Wie der Umbau eines dezentralen Finanzsystems zu einem von der EU beförderten zentralen Finanzsystem auf die dezentrale Wirtschaftsstruktur Deutschlands (mit dezentraler politischer Struktur und dezentralen Siedlungsstrukturen) wirkt, ist ein Experiment mit offenem Ausgang.

e. Drohendes Szenario

Eine Zentralisierung der Finanzwirtschaft hat das Potenzial, die Struktur der deutschen Wirtschaft grundlegend zu ändern. Denn der Finanzierungszugang über Banken ist entscheidend für die adäquate Kapitalausstattung der Unternehmen vor Ort. Diese Firmen sind in ihrer Mehrheit für den Kapitalmarkt nicht interessant. Finanzierungsalternativen fehlen.

Einer wissenschaftlichen Studie zufolge erleichtern geringe Distanzen beziehungsweise räumliche Nähe zwischen regionaler Bank und KMU den Zugang zu weichen Informationen bei der Kreditvergabe und damit gerade in Krisen den Finanzierungszugang für Mittelständler. Wie würden Konzernzentralen globaler Banken über den Kreditzugang deutscher Mittelständler in der Fläche entscheiden? Darüber gehen die Meinungen in der Wissenschaft auseinander.

Weiterhin ist unklar, welche Auswirkungen sich hieraus auf die Realwirtschaft und in der Folge auf die Arbeits- und Siedlungsstruktur in Deutschland ergeben.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland könnte dadurch geschwächt werden. Dies liegt weder im Interesse Deutschlands noch in dem der EU. Die deutsche Volkswirtschaft ist die größte Volkswirtschaft innerhalb der Union und damit deren wirtschaftlicher Motor – und gerade aus dieser Wirtschaftskraft heraus der größte Beitragszahler in den EU-Haushalt.

C. Schlussfolgerung und Forderung aus B.II.

Die Ertragsschwäche innerhalb des deutschen Bankensystems ist multikausal begründet und nicht durch die Vielzahl der Banken verursacht. Die dezentrale Struktur der deutschen Finanzwirtschaft muss auch im Interesse der EU erhalten werden. Daher müssen Anpassungen an verschiedenen Hebeln ansetzen:

I. Neustrukturierung der Bankenregulierung

Die Regulierung ist als Reaktion auf die Finanzkrise 2007 und 2008 weiterentwickelt worden mit dem Ziel der Harmonisierung und generellen Stärkung. Märkte, Strukturen und Umfeld haben sich aber verändert. Von daher ist eine Neustrukturierung sinnvoll statt einer reinen Weiterentwicklung des Status quo.

Die EU-Bankenregulierung muss von ihrem „One-size-fits-all“ Ansatz abrücken. Es bedarf eines differenzierten Systems. Entscheidend für die Regulierung sollten die Systemrelevanz und die internationale Orientierung einer Bank sein, ausgehend von folgender Grundfrage:

Bei einer Insolvenz des entsprechenden Institutes: Auf welcher (geographischen) Ebene würden sich Verwerfungen in der Finanz- und Realwirtschaft ergeben? Regional – Überregional – National – EU – International?

Je geringer die Systemrelevanz einer Bank, desto geringer sollte die Komplexität der Regulierung ausfallen. Die Prämisse für diese Regulierung sollte sein: strong and simple. Auch die Aufsichtsstrukturen sollten sich hieran orientieren.

Dieses neue System hätte eine wirkliche Stärkung von Proportionalität zur Folge. Der Erhalt regionaler Strukturen wäre zudem ein echter Ausdruck von Nachhaltigkeit. Die EU würde damit ein wichtiges Signal geben, dass sie sich selbst nicht als zentralistisches Gebilde versteht. Das ist auch gesamtpolitisch von Bedeutung, da nur in einer föderalen Struktur eine sich vertiefende Union gelingen kann.

II. Neuer Schwung für die Bankenunion

Die Bankenunion wird derzeit ausgebremst, da Regeln gleichzeitig für große und kleine Banken passen müssen. Die unter I. skizzierte Differenzierung würde es ermöglichen, einen eigenen Rahmen für systemrelevante Banken im Währungsraum zu entwickeln. Richtet sich die Bankenregulierung in einem eigenen Regime auf systemrelevante Banken im Euro-Raum und deren Belange aus, kann die Bankenunion beschleunigt werden und das leisten, wozu sie gedacht ist: einen einheitlichen Markt für EU-Großbanken zu schaffen. Dieselbe Linie vertritt zum Beispiel der ehemalige Bundesbankpräsident Axel Weber. Auch im SAFE Finance Blog wird eine maßgeschneiderte Lösung gefordert für Institute, die gesamteuropäisch tätig werden wollen („Pan-Europa-Status“).

Die Unternehmensfinanzierung würde so für alle Größenklassen von Unternehmen gestärkt, weil sie sich dann an den tatsächlichen Gegebenheiten innerhalb der EU orientiert.

III. Jetzt handeln

Mit dem Regulierungspaket „Basel III final“ und den parallelen Verhandlungen zum Fortschritt in der Bankenunion auf EU-Ebene gibt es aktuell ein Zeitfenster, um diese Diskussion zu führen und Veränderungen anzustoßen.

Dabei muss deutlich werden:

• Die Realwirtschaft in der EU ist nach wie vor größtenteils bankenfinanziert. Der Kapitalmarkt kann den Finanzierungsbedarf gerade kleiner und mittlerer Unternehmen nicht decken. Banken sind unverzichtbar.

• Das deutsche Bankensystem ist Finanzierer des deutschen Mittelstandes und damit eine wichtige Säule der gesamten EU-Wirtschaft. Die überragende Bedeutung dieser dezentralen Strukturen in Deutschland müssen – vergleichend zu jenen in anderen Mitgliedstaaten – verstärkt auf EU-Ebene verdeutlicht werden.

• Banken- und Wirtschaftsstrukturen haben sich in den Mitgliedstaaten der EU jeweils zueinander passend entwickelt (zentral und zentral sowie dezentral und dezentral). Diese Balance wird durch die EU-Bankenregulierung für Deutschland einseitig verschoben hin zu zentralen Banken bei einer dezentralen Wirtschaft. Es gibt keine Evidenz dafür, dass ein dezentrales Wirtschaftssystem mit wenigen zentralen Banken angemessen finanziert wird oder sogar prosperieren kann.

• Die anstehende Umsetzung der letzten Vorgaben des Baseler Ausschusses für Bankenregulierung sollte der Anlass sein, die Debatte offen zu führen und ein neues Regulierungs- und Aufsichtsregimes einzuführen. Systemrelevanz, geographische Ausrichtung und Komplexität des Geschäftsmodells von Kreditinstituten müssen dabei entscheidende Maßstäbe sein.

Ein solches wirklich proportionales Regulierungs- und Aufsichtskonzept bietet auch die Chance, die Bankenunion in der EU schneller zu erreichen.

Das Diskussionspapier finden Sie einschließlich aller Quellenangaben und Graphiken untenstehend zum Download.

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