Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
prognostizierte weitere Steuerausfälle von fast 2,4 Milliarden Euro bis in das Jahr 2027 – das ist das Ergebnis der Mai-Steuerschätzung für Hessen und dementsprechend Grundlage für den Nachtragshaushalt, den ich heute erstmals als neuer Finanzminister in den Landtag einbringe.
Sicherlich hätte ich mir andere bzw. günstigere Rahmenbedingungen gewünscht, doch nehme ich und nehmen wir als neue Landesregierung diese Herausforderung selbstverständlich an!
Der Nachtragshaushalt setzt mit dem 11+1 Sofortprogramm und mehr als 200 Mio. Euro Finanzvolumen ganz gezielt die ersten Akzente der neuen Landesregierung.
In der Pressekonferenz zur Vorstellung habe ich dies unter der Überschrift „Schwerpunkte setzen, die Schuldenbremse einhalten und eine Schwarze Null bei den Stellen erreichen“ zusammengefasst:
- wir unterstützen den Traum vieler Bürgerinnen und Bürger von den eigenen vier Wänden,
- wir machen Hessens Innenstädte noch sicherer,
- wir verbessern die Bildungschancen unserer Kinder und
- wir stärken den Wirtschaftsstandort Hessen.All das machen wir, ohne dabei die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen außer Acht zu lassen!
Und diese sind, da sollten wir kein Blatt vor den Mund nehmen, schlecht.
Im vergangenen Jahr ist unsere Volkswirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft. Für das laufende Jahr musste die Bundesregierung ihre Wachstumserwartung von 1,3 Prozent auf ein nur noch mikroskopisches Wachstum von 0,3 Prozent senken.
Auch die Aussichten für 2025 haben sich mit der Frühjahrsprojektion verschlechtert: Aktuell erwartet die Bundesregierung nur noch einen Zuwachs der Wirtschaft von 1,0%.
Die Inflation geht zwar zurück, aber nur langsam. Im Jahresdurchschnitt soll sie etwa 2½ Prozent betragen. Sie wird damit im 4. Jahr hintereinander deutlich über dem Zielwert der EZB liegen. Im Ergebnis sind die Reallöhne in Deutschland seit 2019 um 5,1 Prozent gesunken. Sie liegen heute etwa auf dem Niveau von 2015.
Kurz gesagt: Der deutschen Wirtschaft geht es nicht gut und die Menschen in unserem Land spüren das tagtäglich.
Diese aktuelle Wachstumsschwäche trifft natürlich auch den hessischen Landeshaushalt. Sie wird die Entwicklung der Haushaltspolitik der kommenden Jahre maßgeblich prägen.
Die goldenen Jahre der Finanzpolitik, in denen sprudelnde Steuereinnahmen den finanziellen Spielraum für viele neue politische Vorhaben schufen, sind vorerst vorbei.
Vor uns liegen stattdessen Zeiten und Jahre, in denen wir uns deutlich strecken müssen, um die Schuldenbremse dauerhaft einzuhalten. Sie sehen einen ersten „Aufgalopp“ bereits im Nachtragshaushalt 2024.
Wir treten auf die Bremse - auch bei den Personalausgaben, die im Nachtrag gerade einmal um 1,2 Prozent steigen. Das ist deshalb bemerkenswert, weil wir mit dieser Steigerung nicht nur Mehrbedarfe bei Schule, Justiz und Polizei auffangen, sondern auch die Auswirkungen der jüngsten Tarif- und Besoldungsrunde.
Deswegen ist es ein besonderes Signal, dass der Nachtragshaushalt 2024 ohne zusätzliche bzw. neue Stellen auskommt.
Die neue Landesregierung hat damit auch in Sachen Konsolidierung bereits einiges auf den Weg gebracht. Der Nachtragshaushalt 2024 zeigt ganz klar: Diese Landesregierung arbeitet vertrauensvoll und handlungsstark zusammen und stellt sich im engen Schulterschluss den bestehenden Herausforderungen.
Und das tut sie mit Zuversicht, denn Hessen ist – auch dank der guten Arbeit der Vorgängerregierungen – gut aufgestellt! Aber wir müssen in Zeiten der Stagnation gezielter abwägen, was notwendig ist und was wir uns wirklich leisten wollen und noch können.
Dabei spielt natürlich auch die Schuldenbremse eine zentrale Rolle in unseren Überlegungen.
Aber weder hindert sie Deutschland bzw. die Politik daran, notwendige Investitionen zu tätigen, noch zwingt sie dazu, wegbrechenden Steuereinnahmen – und genau das ist gerade im Bund wie bei uns in Hessen der Fall – hinterher zu sparen.
Was sie jedoch unzweifelhaft fordert, ist, dass die politisch Handelnden Prioritäten setzen – und genau das tun wir in Hessen mit diesem Nachtragshaushalt. Der Staat kann nicht für alles aufkommen und nicht jeder Wunsch kann erfüllt werden. Das sind wir den uns nachfolgenden Generationen schuldig!
Der vorliegende Nachtragshaushalt bildet daher die vereinbarten ersten politischen Schwerpunkte der Landesregierung ab – insbesondere, aber nicht nur das Sofortprogramm 11+1.
Er zeigt, dass wir auch unter schwierigen Bedingungen unserer Aufgabe gerecht werden, Politik für die Zukunft zu gestalten.
Mit Vorhaben wie
- dem Hessengeld,
- der Innenstadtoffensive,
- einer zusätzlichen Deutschstunde und
- der kostenfreien Meisterausbildung
setzen wir ganz gezielt wichtige Schwerpunkte an der Schnittstelle zwischen Finanz- und Wirtschaftspolitik, im Bereich der Bildung und bei der inneren Sicherheit.
Dafür sind im Nachtragshaushalt 2024 rund 51 Millionen Euro vorgesehen. Diese wichtigen Investitionen für den Standort Hessen finanzieren wir ohne dafür neue Schulden aufzunehmen.
Ein Häuschen oder eine Wohnung für sich oder die eigene Familie – das ist ein Traum, den sich viele Menschen in unserem Land erfüllen möchten. Angesichts gestiegener Zinsen und hoher Baukosten ist der Erwerb von Wohnraum für viele aber sehr schwierig geworden.
Die Landesregierung hat das Versprechen gegeben, mit dem Hessengeld beim erstmaligen Erwerb selbstgenutzter Wohnimmobilien zu helfen.
Dieses Versprechen halten wir ein. Und ganz nebenbei unterstützen wir auf diese Weise auch die hessische Bau- und Wohnungswirtschaft.
Doch damit nicht genug: Durch die kostenfreie Meisterausbildung stärken wir das Handwerk. Wir ermöglichen engagierten Gesellinnen und Gesellen den nächsten Karriereschritt und den Weg in die berufliche Selbstständigkeit.
Wir würdigen damit den Mut dieser engagierten Menschen, die mit ihrer Arbeit unseren Wohlstand sichern. Sie sind hochinnovativ und schaffen neue Arbeitsplätze. Sie stehen in besonderer Weise für unser „Made in Germany“.
Hessen ist nicht nur national, sondern auch international ein ökonomischer Knotenpunkt. Viele global agierende Konzerne und Mittelständler sind hier beheimatet. Wir verfügen über eine lebendige Start-up Szene und einen starken Finanzplatz.
Um den Wirtschaftsstandort fit für die Zukunft zu machen, haben wir deshalb weitere 50 Millionen Euro für zusätzliche Förderungen von Innovations- und Transformationsmaßnahmen eingeplant.
Und wir gehen noch ein weiteres Thema an: Es besteht Einigkeit, dass wir in Deutschland zu langsam entscheiden. Wir haben uns in einem Netz von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen verheddert.
Alle diese Regelungen haben oder hatten für sich genommen sicherlich ihre Berechtigung. In der der Summe entfalten sie jedoch oftmals eine erdrückende Wirkung.
Diese Landesregierung legt daher ganz bewusst einen besonderen Schwerpunkt auf das Thema Entbürokratisierung. Eine erste sichtbare Maßnahme ist die Entlastung von den GEMA-Gebühren für ehrenamtliche Vereine. Das ist übrigens auch ein Teil des 11+1-Sofortprogramms.
Außerdem erhöhen wir den Kommunalen Finanzausgleich um 108 Millionen Euro. Mir ist dieses Signal an die hessischen Kommunen besonders wichtig.
Wir machen nämlich damit deutlich: Es sind die Kommunen, die tagtäglich die Herausforderungen von Daseinsvorsorge und Migration mit großem Engagement und teilweise unter erschwerten Bedingungen meistern. Sie verdienen in besonderer Weise unsere Unterstützung.
Die Neubildung der Landesregierung geht außerdem mit einer der größten Modernisierungen der Landesverwaltung seit mehr als zehn Jahren einher.
Mit einem eigenständigen Digitalministerium und der Aufteilung des bisherigen Sozialministeriums werden die Strukturen der Landesregierung den Herausforderungen der Zeit angepasst.
Das führte zu umfangreichen Verschiebungen zwischen den verschiedenen Ressorthaushalten. Der Nachtragshaushalt bildet die Auswirkungen dieser Umstrukturierung ab.
Für den Neuzuschnitt der Landesregierung, aber auch für die personelle Ausfüllung der inhaltlichen Schwerpunkte, wie zusätzliche Polizeistellen für die Innenstadtoffensive und Lehrkräfte für die zusätzlichen Deutschstunden in der Grundschule, wurden keine neuen Stellen in der Landesregierung geschaffen!
Die insgesamt 420 Stellen, die in der modernisierten Landesregierung für die Schwerpunkte neu zugeordnet wurden, kommen alle aus dem Bestand und wurden solidarisch von allen Ressorts zur Verfügung gestellt.
Der ursprüngliche Doppelhaushalt 2023/2024 wurde im Januar 2023 verabschiedet. Seitdem haben sich zahlreiche Veränderungen ergeben, die im Nachtragshaushalt berücksichtigt werden müssen.
So haben sich höhere Ausgaben
- auf Grund gestiegener Flüchtlingszahlen (440 Mio. Euro),
- zur Vorsorge für zusätzliche Grunderwerbe (130 Mio. Euro),
- für Personalmehrbedarfe etwa bei der Polizei oder der Justiz (140 Mio. Euro),
- zur Unterstützung unseres Universitätsklinikums in Frankfurt (85 Mio. Euro) und
- für weitere Mittelabrufe aus dem Investitionsprogramm der Hessenkasse (50 Mio. Euro) ergeben.
Der Nachtragshaushalt enthält auch die zwei Milliarden Euro für die geplante Kapitalstärkung der Helaba. Die Notwendigkeit und die Hintergründe dazu habe ich vor kurzem der Öffentlichkeit vorgestellt.
Wie Sie wissen, vertritt die Europäische Bankenaufsicht (EBA) mittlerweile die Auffassung, dass die Kapitaleinlagen des Landes Hessen den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Eigenkapital zukünftig nicht mehr genügen werden.
Aus diesem Grund hat die Landesregierung umgehend gehandelt, um den Fortbestand der Sondervermögen für kommunale Investitionen und sozialen Wohnungsbau im Eigentum des Landes zu gewährleisten und gleichzeitig eine stabile und zukunftsfähige Helaba zu sichern. Mit seiner Investition hält Hessen in Zukunft 30 Prozent an seiner Landesbank, die für Wirtschaft und Arbeitsplätze in Hessen immens wichtige Aufgaben erfüllt.
Und nicht zuletzt – damit hatte ich meine Rede ja begonnen – berücksichtigt der Nachtragshaushalt auch die Steuerausfälle auf Basis der Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung vom Mai.
Die für den Landeshaushalt 2024 prognostizierten Steuerausfälle von insgesamt 834 Millionen Euro gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsansatz sind konjunkturbedingt. Sie dürfen daher im Rahmen der Schuldenbremse durch eine Kreditaufnahme kompensiert werden.
Die Ergebnisse dieser Steuerschätzung zeigen allerdings auch, dass den öffentlichen Haushalten schwierige Jahre und schmerzhafte Konsolidierungsschritte bevorstehen. Bund, Länder und Kommunen können nicht mehr wie bisher auf vorhandene Reserven zurückgreifen. Hier muss ein Umdenken eintreten. Die Ausgaben und Einnahmen des Landes müssen dauerhaft wieder in Einklang gebracht werden.
Die Finanzierung der Helaba-Transaktion sowie der Ausgleich der Steuerausfälle machen eine Ausweitung der Neuverschuldung des Landes erforderlich. Diese Kreditaufnahme steht jedoch im Einklang mit den Regeln der Schuldenbremse und zeigt, wie flexibel die oftmals kritisierte Schuldenbremse in der Realität ist!
Alle sonstigen Mehrbedarfe werden durch Umschichtungen im Nachtragshaushalt gedeckt. Das heißt: Wir nehmen für das 11+1-Programm und die Modernisierung der Landesregierung keine neuen Kredite auf!
Wir konnten und mussten dafür aber auch auf in den guten Jahren umsichtig angelegte Rücklagen zurückgreifen. Diese Rücklagen sind nun weitgehend aufgebraucht. In den nächsten Jahren werden wir uns daher – soweit das absehbar ist – nicht mehr mit Einmalmaßnahmen helfen können.
Der Haushalt 2025, den wir Ende des Jahres einbringen werden, wird sicher schon im Zeichen dieser neuen Zeiten stehen müssen. Da geht es Hessen wie dem Bund und den anderen Ländern.
Lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen:
Wenngleich der Nachtragshaushalt 2024 erstmals seit dem ersten Corona-Jahr 2020 neue Schulden vorsieht, zeichnet er sich durch klare und gezielte Schwerpunktsetzungen, das Einhalten der Schuldenbremse und eine „Schwarze Null“ bei den eingesetzten Stellen aus.
An einer umfassenden Priorisierung des Landeshaushalts führt zukünftig aber kein Weg vorbei. Dazu werden wir für die kommenden Haushalte alle Aufgaben und Ausgaben des Landes ergebnisoffen auf den Prüfstand stellen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.