Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder

Hessisches Ministerium der Finanzen

Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder tagen in Kiel

Gesamtwirtschaft und Finanzlage der öffentlichen Haushalte stehen im Fokus der Jahresfinanzministerkonferenz.

Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder haben in ihrer Jahreskonferenz am 9. Mai 2025 in Kiel unter Vorsitz von Minister Dr. Marcus Optendrenk (Nordrhein-Westfalen) u. a. die Lage der öffentlichen Finanzen beraten. Sie stellen dazu Folgendes fest:

  1. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer anhaltenden Schwächephase. Das reale Wachstum der Wirtschaft war im Jahr 2024 mit -0,2 Prozent das zweite Jahr in Folge rückläufig. Die Schwäche ist sowohl konjunktureller als auch struktureller Natur. Der unberechenbare protektionistische Kurs in der Handelspolitik der neuen US-Regierung und die hierdurch ausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten verstärken deutlich die Unsicherheit bei Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland und weltweit. Diese Unsicherheit dämpft die Investitionsneigung und damit die Wachstumsperspektiven. Positiv wirkt, dass sich die Inflationsrate zuletzt im April 2025 mit 2,1 Prozent weiter dem Zielkorridor der Europäischen Zentralbank angenähert hat. Zudem wirken sich die Zuwächse bei den Realeinkommen der privaten Haushalte stabilisierend auf den privaten Konsum aus. Finanzpolitische Impulse dürften mittel- bis langfristig zudem durch die von Bundestag und Bundesrat jüngst beschlossenen Änderungen in der Finanzverfassung ausgelöst werden. Bund und Länder erhalten zeitnah die Möglichkeit, ihre Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045, deutlich auszuweiten.

    Die Bundesregierung geht vor diesem Hintergrund in ihrer Frühjahrsprojektion für das Jahr 2025 noch von einem stagnierenden realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) (0,0 Prozent) aus, für das Jahr 2026 sieht sie dagegen ein reales Wachstum in Höhe von 1,0Prozent. Das Produktionspotenzial wächst bis 2027 nur um 0,4 Prozent jährlich. Die wirtschaftliche Dynamik wird dabei angesichts des aufgrund der demografischen Entwicklung künftig zu erwartenden Rückgangs der Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland mehr von Investitionen in den Kapitalstock und dem technischen Fortschritt als vom Arbeitsmarkt getragen. 

  2. Die Finanzpolitik agiert derzeit in einem besonders volatilen Umfeld. Wichtige wirtschafts- und finanzpolitische Rahmenbedingungen haben sich geändert, deren Auswirkungen auf den öffentlichen Gesamthaushalt erst in den kommenden Monaten umfassender abgeschätzt werden können. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist einerseits mit einem verminderten Wachstum der Wirtschaft und daraus folgend auch der Steuereinnahmen zu rechnen. Andererseits sind durch die geänderten Regelungen zur Schuldenbremse und mit Errichtung des Sondervermögens nach Artikel 143h des Grundgesetzes positive Impulse für das wirtschaftliche Wachstum angelegt. Aber auch wenn diese Veränderungen in die Prognosen für den öffentlichen Gesamthaushalt eingepreist werden, wird deutlich, dass die Finanzpolitik für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen herausfordernd bleibt. Das gesamtstaatliche Defizit in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (Maastricht-Defizit) belief sich im Jahr 2024 auf rund 119 Milliarden Euro oder 2,8 Prozent im Verhältnis zum nominalen BIP. Der Bruttoschuldenstand betrug zuletzt 62,5 Prozent des BIP und liegt damit deutlich unter dem Durchschnitt der EU oder auch bedeutender Volkswirtschaften wie bspw. USA oder Japan. 
  3. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder halten eine verstärkte Investitionstätigkeit in Deutschland – auch über die öffentlichen Haushalte – für zwingend geboten. Dies wird durch die Verankerung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für ein Sondervermögen des Bundes mit eigener Kreditermächtigung über 500 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität erleichtert. Damit der neu gewonnene Verschuldungsspielraum keine Verschiebung von Lasten in die Zukunft nach sich zieht, müssen die zusätzlichen Mittel klug in wachstumsfördernde Maßnahmen investiert werden. Hierbei kommt speziell auch der Finanzpolitik eine besonders hohe Verantwortung zu. Aus dem vom Bund errichteten Sondervermögen erhalten die Länder, verteilt über einen Zeitraum von zwölf Jahren, 100 Milliarden Euro für Investitionen in ihre Infrastruktur. Diese Investitionen sind von hoher Dringlichkeit und bieten die Chance, dem Investitionsstau entgegenzuwirken und wirtschaftliche Dynamik zu erzeugen. Ein passgenauer, effektiver und zügiger Mittelabfluss ist daher dringend geboten, um zeitnah messbare Effekte der Investitionen zu verzeichnen. Dazu bedarf es insbesondere eines pragmatischen und bürokratiearmen Verfahrens, das von weiteren Maßnahmen zur Beschleunigung von Vergabe-, Planungs- und Genehmigungsverfahren flankiert wird. Die im Rahmen des Sondervermögens vorgesehenen Berichtspflichten der Länder und ihrer Kommunen und Kontrollrechte des Bundes sind sowohl zeitlich als auch inhaltlich auf ein Mindestmaß zu beschränken. Gleichzeitig ist der Mittelabfluss möglichst flexibel zu gestalten, um der für Infrastrukturprojekte notwendigen Anforderung einer hohen Planungssicherheit Rechnung zu tragen. 

    Durch das Sondervermögen muss sichergestellt werden, dass die notwendigen Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität auf allen staatlichen Ebenen umgesetzt werden können. Dazu müssen durch entsprechende Bund-Länder-Programme über den reinen Länderanteil hinaus weitere Mittel aus dem Sondervermögen sowie aus dem Klima- und Transformationsfonds in Ländern und Kommunen investiert werden.

    Die zusätzlichen Spielräume dürfen nicht durch eine Reduzierung der finanziellen Beteiligung des Bundes an gemeinsamen Aufgaben oder durch neue nennenswerte Kofinanzierungsverpflichtungen aufgezehrt werden.

  4. Die deutlich erweiterten verfassungsrechtlichen Finanzierungsspielräume des Bundes für Ausgaben der Gesamtverteidigung und für die Erfüllung sicherheitspolitischer Aufgaben dienen auch dem Schutz der Zivilbevölkerung, der informationstechnischen Systeme und der Infrastruktur. Vor allem präventive Maßnahmen des Zivilschutzes berühren dabei Belange der Länder und Gemeinden, beispielsweise hinsichtlich der notwendigen Fähigkeiten der Polizei, des Katastrophenschutzes und zusätzlichen Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur. Die Länder erwarten daher, dass für notwendige präventive Maßnahmen des Schutzes der Zivilbevölkerung und der Ertüchtigung der Infrastruktur eine bundesseitige Finanzierung in Abstimmung mit den Ländern erfolgt.
  5. Die EU-Kommission spricht sich insbesondere aufgrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine für eine unmittelbare massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben ihrer Mitgliedstaaten aus. Um dies im Rahmen der europäischen Fiskalregeln zu ermöglichen, hat sie vorgeschlagen, Verteidigungsausgaben in einem begrenzten Umfang zeitlich befristet von den europäischen Schuldenregeln auszunehmen. Dafür soll das fiskalpolitische Instrument der nationalen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts koordiniert aktiviert werden können. Die Sonderstellung der Verteidigungsausgaben bleibt in den gegenwärtigen Vorschlägen der EU-Kommission allerdings voraussichtlich hinter den Regelungen der nationalen Schuldenbremse zurück. 

    Die Einhaltung der europäischen Fiskalregeln stellt – trotz Aktivierung der Ausweichklausel – nach der Änderung der nationalen Schuldenregel künftig eine Herausforderung dar. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder sehen die Bundesregierung in der Verantwortung, die Anwendung der nationalen und europäischen Fiskalregeln eng aufeinander abzustimmen. 

Die Pressemitteilung wird einstimmig angenommen, mit Ausnahme von Ziffer 5, die mehrheitlich beschlossen wird. 

Schlagworte zum Thema