Hessens Finanzminister Professor Dr. R. Alexander Lorz (rechts im Bild) diskutierte mit Professorin Dr. Johanna Hey (mittig; Universität zu Köln), Professorin Dr. Susanne Schmidt-Pfeiffer (Dritte von links; Vizepräsidentin Steuerberaterkammer Nürnberg), Professor Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff (Zweiter von links; Ludwig-Maximilians-Universität München) und Professor Dr. Ekkehart Reimer (links im Bild; Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg).

Hessisches Ministerium der Finanzen

Einfacheres Steuerrecht und mehr Service für Bürgerinnen und Bürger

Vor rund 100 Jahren wurden in Deutschland die Grundlagen für das heutige Steuersystem gelegt. Zeit, um Bilanz zu ziehen und die Zukunft zu diskutieren. Rund 100 Gäste verfolgten eine Podiumsdiskussion in der Hessischen Landesvertretung in Berlin, in der vor allem über Vereinfachung, Digitalisierung und Automatisierung im Steuerrecht, als Voraussetzung von Bürokratieabbau diskutiert wurde.

Zitate Finanzminister Professor Dr. R. Alexander Lorz:

„Für weniger Bürokratie braucht die Politik Mut. Ich bin davon überzeugt, dass wir diesen Mut auch in der Steuerpolitik aufbringen müssen und können: durch Automatisierung, Pauschalierung und Digitalisierung.“

„Mehr Automatisierung und weniger Bürokratie könnten wir dadurch erreichen, dass die Besteuerung von Alters- und Rentenzahlungen analog zum Lohnsteuerabzug bei Arbeitnehmenden zukünftig direkt an der Quelle erfolgt. So könnten die Rentenversicherungsträger die Steuer einbehalten und an das Finanzamt abführen. Millionen Rentnerinnen und Rentner wären damit von der Steuererklärungspflicht befreit und müssten später auch nichts mehr nachzahlen. Das wäre für alle ein Gewinn!“

„Steuervereinfachung ist keine Raketenwissenschaft, sie muss aber von uns allen gelebt und akzeptiert werden. Wir brauchen dafür ein Umdenken in den Köpfen. Wir müssen weg von dem im Steuerrecht bisher fest verankerten Glauben an die Einzelfallgerechtigkeit. Durch Pauschalierung und Typisierung können wir das erreichen und uns allen so das Leben leichter machen. Natürlich bedeutet das im Gegenzug, künftig nicht mehr jeden individuelle Lebenssachverhalt bis ins Kleinste bei der Steuererklärung abzubilden.“

Fragen und Antworten:

Welches Potential birgt die Vereinfachung und Automatisierung in Massenverfahren etwa bei Renteneinkünften?

Rentnerinnen und Rentner könnten weitgehend von einer Verpflichtung zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen befreit werden, indem wir analog zum Lohnsteuerabzug bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen automatischen Steuerabzug auch bei der Rente einführen. Die Besteuerung von Alters- und Rentenzahlungen würde direkt an der Quelle erfolgen, indem beispielsweise die Rentenversicherungsträger die Steuer einbehalten und an das Finanzamt abführen.

Millionen Rentnerinnen und Rentner würden dann zwar zunächst einen etwas geringeren Betrag ausgezahlt bekommen, wären aber dafür von der Steuererklärungspflicht befreit und müssten damit später auch nichts mehr nachzahlen.

Wie vereinfachen Pauschalbeträge das Steuerverfahren bei Steuerzahlern und der Steuerverwaltung?

Durch pauschale Ansätze könnten typischerweise anfallende Kosten wie Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Home-Office oder Arbeitsmittel schon beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt werden. Die heute üblichen Steuererstattungen durch den Steuerbescheid würden damit bei der Berechnung der monatlich abgeführten Lohnsteuer bereits eingerechnet.

Die Bürgerinnen und Bürger bekommen dann sogar früher die Erstattung, beziehungsweise verfügen über mehr Netto, und eine Steuererklärung würde in sehr vielen Fällen überflüssig.

An der grundsätzlichen steuerlichen Abzugsfähigkeit dieser Aufwendungen ändert sich dadurch nichts. Aber der Abzug erfolgt dann eben in Form einer Pauschale und nicht mehr über individuelle Nachweise. Es entlastet alle, wenn solche typischen Kosten steuerlich abgezogen werden, ohne dass das ganze Jahr über Belege gesammelt und aufgehoben werden müssen.

Wie können Steuerverfahren mithilfe von Digitalisierung vereinfacht werden?

Ein Beispiel sind Spendenbescheinigungen. Sie könnten automatisch und elektronisch an die Finanzverwaltung übermittelt werden, Bürgerinnen und Bürger müssen diese dem Finanzamt dann nicht mehr gesondert vorlegen. Den Spendenabzug übernimmt das Rechensystem der Steuerverwaltung automatisch.

Wie können diese Szenarien erreicht werden?

Die automatisierte Festsetzung von Lohn- und Renteneinkünften lassen sich durch Typisierung und Pauschalierung der steuerrelevanten Ausgaben erreichen. Statt Aufwendungen individuell und mit Einzelnachweis zu berücksichtigen, ermöglicht der Ansatz von Pauschbeträgen eine Steuererhebung, die bereits an der Quelle (Lohnsteuer oder Steuereinbehalt durch die Rententräger) so zielgenau ausgestaltet werden kann, dass nur noch in Ausnahmefällen eine Steuererklärung notwendig ist. Neben dem Gewinn von Zeit und Lebensqualität ergäbe sich oft auch ein Liquiditätsvorteil, weil die bisherige Steuererstattung quasi schon laufend erfolgt.

Die Digitalisierung von Verfahren nutzt die Hessische Steuerverwaltung bereits seit 2019 beispielsweise mit der Forschungsstelle Künstliche Intelligenz in Kassel. Dort werden IT- und KI-Lösungen für die Steuerverwaltung entwickelt. Mit deren Hilfe bekämpfen die Kolleginnen und Kollegen aktiv Steuerkriminalität – indem sie Daten-Leaks wie die Panama Papers auswerten oder die Aufklärung von Cum-Cum-Geschäften unterstützen. Mit Hilfe von Automatisierung, Digitalisierung und KI können auch Verfahren für die Steuererklärung automatisiert werden und so den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Steuerverwaltung wertvolle Zeit schenken.

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