Deborah Wagner, Architektin und zuständige Projektleiterin für die Alheimer Kaserne in der Niederlassung Ost des Landesbetriebs Bau und Ommobilien Hessen (LBIH) in Fulda.

Mein Projekt. Für Deutschland.

Der ehemalige Bundeswehrstandort Alheimer Kaserne in Rotenburg an der Fulda wurde umgebaut zum Ausbildungszentrum der Bundespolizei. Der Finanzpräsident Markus Offermann und die Architektin Deborah Wagner zu den Herausforderungen des spannenden Großprojekts.

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Der Befehl lautet: Zugriff!

Über einem in der Lübecker Bucht ankernden Passagierschiff ertönt der ohrenbetäubende Lärm des nahenden Hubschraubers der Bundespolizei-Fliegerstaffel. Schwer bewaffnete Spezialkräfte seilen sich ab, weitere Einsatzkräfte gelangen über zeitgleich eintreffende Mehrzweckboote an Deck. Die Waffen im Anschlag durchsuchen die Beamten der Spezialeinheit GSG 9 die 190 Meter lange Fähre Nils Holgersson. Ziel der Maßnahme: Abwendung einer Gefahrenlage auf See.

Auch wenn es sich an diesem Morgen im Oktober 2020 lediglich um eine gemeinsame Übung der Bundespolizei mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie im Rahmen einer maritimen Gefahrenabwehr handelt – für den Ernstfall eines durch bewaffnete Terroristen verübten Anschlags auf See müssen die Beamten der Bundespolizei vorbereitet sein.1

An der Seegrenze von Nord- und Ostsee sorgt die Bundespolizei für den grenzpolizeilichen Schutz des deutschen Staatsgebiets.2 Neben dieser maritimen Komponente ist die dem Bundesinnenministerium nachgeordnete Behörde unter anderem zuständig für die Luftsicherheit, übernimmt grenz- und bahnpolizeiliche Aufgaben, verfügt über eine Bereitschaftspolizei und sogt für den Schutz von Verfassungsorganen wie dem Bundeskanzleramt.3

Mit den Polizeibehörden der Länder steht sie in einem engen Austausch. Selbst im Ausland kommt die Bundespolizei zum Einsatz. Derzeit sind 41.000 Polizeivollzugsbeamte und mehrere tausend zivile Beschäftige für die Bundespolizei tätig.4

In Zeiten, in denen die Bedrohungslage in Deutschland durch Terrorismus und andere Bedrohungen der inneren Sicherheit weiter zunimmt, gewinnt ihr Dienst an Bedeutung. Im Jahr 2020 traf die damalige Bundesregierung die Entscheidung 900 weitere Anwärterinnen und Anwärter einzustellen und auszubilden, die Hälfte davon stationiert in Hessen. Dadurch soll der Bundespolizei mehr Präsenz sowie regionale Verwurzelung geschaffen werden und durch neu zu errichtende Ausbildungszentren gleichzeitig dem Defizit an Unterkunftsplätzen im Liegenschaftsbereich der Bundespolizei entgegengewirkt werden. Als Ausbildungsbeginn war September 2021 vorgesehen; als Ausbildungsort dient der ehemalige Bundeswehrstandort Alheimer Kaserne in Rotenburg an der Fulda.5 Die Bundeswehr ist dort 2015 ausgezogen.6 Zwischenzeitlich als Hessische Erstaufnahme-Einrichtung genutzt, steht die Liegenschaft aktuell im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Eine unmittelbare Inbetriebnahme zu Ausbildungszwecken war ausgeschlossen. Und so verwandelte sich die verwaiste Liegenschaft im Frühjahr 2020 kurzfristig in ein umfangreiches Bauprojekt.

„Dieses Projekt war von Anfang an etwas ganz Besonderes für uns“, sagt Markus Offermann. Offermann leitet als Finanzpräsident seit 2018 die Bauabteilung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main (OFD), die basierend auf der geltenden Bundesbau-Vereinbarung Hessen die Fachaufsicht für Bundesbaumaßnahmen in Hessen wahrnimmt.

Finanzpräsident Markus Offermann mit dem zuständigen Polizeidirektor Dr. Alexander Hofsommer bei der Schlüsselübergabe.
Finanzpräsident Markus Offermann mit dem zuständigen Polizeidirektor Dr. Alexander Hofsommer bei der Schlüsselübergabe.

Für die Ausführung der jeweiligen Maßnahmen ist der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) als baudurchführende Ebene zuständig.

Im Juli 2020 wurde das Land Hessen beauftragt, die ehemalige Kaserne bis zum September 2021 im Bestand herzurichten. Planungs- und Ausführungsauftrag durch die Bauabteilung der OFD an den LBIH erfolgte im Februar 2021. Konkret bedeutete dies, die vorhandenen Unterkunftsgebäude, Lehrsäle, die Sporthalle sowie die Standortschießanlage auf ihre bevorstehende Inbetriebnahme vorzubereiten. Und gleichzeitig die Errichtung späterer Neubauten in modularer Bauweise, eines Lehrsaalzentrums und einer Raumschießanlage zu planen. Zweckmäßige Priorisierung war dabei das Gebot der Stunde.

Damit verbunden waren arbeitsintensive Monate für die Bauabteilung der OFD, die als fachaufsichtführende Ebene neben der Einhaltung der Bundeshaushaltsordnung und der für Bundesbauten geltenden Sonderregelungen die Beachtung einschlägiger Vergabevorschriften zu überwachen hatte.

Die größte Herausforderung bestand jedoch darin, die Maßnahme innerhalb kürzester Zeit zur Genehmigungsreife zu führen. Die Dauer der regulären Abstimmungs- und Genehmigungsprozesse hätte den angestrebten Einzugstermin in weite Ferne rücken lassen. Offermann und sein Team mussten alternative Lösungen anbieten.

Im Rahmen einer innerhalb kürzester Zeit erstellten Machbarkeitsstudie bezifferte die Hessische Bauverwaltung das Gesamtprojekt mit Kosten in Höhe von 75 Millionen Euro, davon 16 Millionen Euro für die sofortige Belegung der Unterkunftsgebäude. Zwischen der BImA, dem Bundesfinanzministerium und dem zuständigen Bundesbauministerium wurde sodann, aufgrund der hier einschlägigen modularen Bauweise, ein beschleunigtes Verfahren vereinbart. Dadurch war die parallele Erstellung der notwendigen Haushalts-, Planungs- und Ausschreibungsunterlagen sowie die zeitgleiche Durchführung öffentlich-rechtlicher Verfahren, wie dem Baugenehmigungsverfahren, möglich. Schließlich sicherte die Durchführung eines eintägigen Genehmigungsworkshops neben der haushaltsrechtlichen auch die baufachliche Anerkennung durch die zuständigen Bundesministerien.

Nun konnte der Vollzug der Baumaßnahme beginnen. Draußen – auf der Baustelle.

Projektleiterin Deborah Wagner sichtet vor Ort auf der Baustelle einen Bauplan.
Projektleiterin Deborah Wagner sichtet vor Ort auf der Baustelle einen Bauplan.

Dort angekommen klemmte zunächst die Tür. „Die muss aufgehen! Das ist doch eine Fluchttür!“, sagte Deborah Wagner. Die 33-jährige versuchte es ein zweites Mal – jetzt mit mehr Kraft und mit mehr Erfolg. Von der nun betretenen Dachterrasse ließ sie ihren Blick über das Gelände der Alheimer Kaserne schweifen.

Als zuständige LBIH-Projektleiterin trug sie die Verantwortung für die Realisierung der Baumaßnahme und damit auch die Einhaltung des offiziellen Einzugstermins am 1. September 2021. Klingt nach viel Arbeit. Und nach noch mehr Stress.

Doch Deborah Wagner ist genau dort angekommen, wo sie hinwollte. „Schon als Kind habe ich mein Traumhaus skizziert. Planen, Bauen und Betreuen sind bis heute meine Leidenschaften“, sagt sie. Nach dem Abitur immatrikulierte sie sich an der Universität Kassel und studierte Architektur. Auf den Bachelor folgte der Master, auf den Standort Kassel ein einsemestriger Aufenthalt an der Universität Wien. Eine neue Perspektive und Herausforderung entdeckte Deborah Wagner nach vier Jahren Bauleitung in der Wirtschaft im Öffentlichen Dienst; beim Land Hessen absolvierte sie das Technische Referendariat. Dabei lernte sie verschiedene Bereiche der Bauverwaltung kennen – unter anderem die Bauabteilung der OFD sowie die entsprechenden Baureferate innerhalb des Hessischen Finanzministeriums.

„Kein Tag ist wie der andere“, stellt Deborah Wagner heute fest. In ihrem Büro in der Niederlassung Ost des LBIH in Fulda koordiniert die, inzwischen zur Projektmanagerin ernannte, Architektin die Baustellenarbeiten, kümmert sich um Planung, Ausschreibung und Vergabe sowie um die Koordination der einzelnen Gewerke und um die Kommunikation mit der Fachaufsicht führenden Ebene – der OFD-Bauabteilung. Regelmäßig organisiert sie Baustellenbegehungen, informiert sich vor Ort über den aktuellen Sachstand und beantwortet Fragen der Projektbeteiligten.

Ihre Aufgaben sieht die junge Projektmanagerin darin, beizutragen zur Realisierung und Erhaltung eines modernen, öffentlichen Gebäudebestandes – als eine der wesentlichen Voraussetzungen staatlicher Funktionsfähigkeit.

Und wenn sie nicht Architektin geworden wäre? Dann hätte sie sich für eine Ausbildung bei der Polizei entschieden. Heute baut sie Ausbildungsstätten für die Polizeibeamten von morgen. Die Aufgabenstellung mag eine andere sein. Aber der Sinn ist doch derselbe. Die jungen Anwärterinnen und Anwärter, die sich unter anderem in Rotenburg an der Fulda auf ihren Dienst als Bundespolizeibeamte vorbereiten, leisten bereits damit ihren Beitrag zur Erhaltung der Sicherheit und dienen dem Land.

Ähnlich empfindet Deborah Wagner ihre Aufgabe. Auch deshalb ist für sie der Umbau der ehemaligen Kaserne im Laufe des vergangenen Jahres immer stärker zu einem ganz persönlichen Projekt geworden.

Zu ihrem Projekt für Deutschland.