Verkauf und Anmietung der als LEO-Immobilien bekannt gewordenen, ehemals landeseigenen Gebäude hatten vor rund 15 Jahren ihre Berechtigung. Heute steht dergleichen nicht zur Debatte. Heute geht es darum, moderne und nachhaltige Büros für Hessens Beschäftigte anzubieten, das Land als heimatnahen Arbeitgeber auch im ländlichen Raum zu stärken und die Folgen der Corona-Pandemie für die Arbeitswelt, etwa das verstärkte Arbeiten im Heimbüro, zu gestalten. Für diese Weiterentwicklung der Immobilienstrategie des Landes bietet die von unabhängigen Expertinnen und Experten unterstützte Evaluierung der LEO-Immobilien eine wertvolle Grundlage“, sagte Hessens Finanzminister Michael Boddenberg heute in Wiesbaden anlässlich einer Debatte im Hessischen Landtags über den Bericht des Hessischen Ministeriums der Finanzen zur Evaluation der LEO-Immobilienstrategie.
Der Hintergrund
In den Jahren 2004 bis 2006 hatte die damalige Landesregierung in den so genannten LEO-Portfolios 0 bis II insgesamt 55 Liegenschaften für rund 2,1Milliarden Euro verkauft und diese anschließend für bis zu 30 Jahre zurückgemietet. Zur Halbzeit hatte das Finanzministerium 2019 eine Evaluierung angekündigt. Dabei sollten zwar auch die ursprünglichen Entscheidungen nachvollzogen werden. Vor allem aber ging es um eine fundierte Ausgangsbasis, um die Immobilienstrategie des Landes weiterentwickeln zu können.
Das Finanzministerium hat eigene Erkenntnisse und Einschätzungen wie die der unabhängigen Expertinnen und Experten im Evaluierungsbericht zusammengefasst, der bereits dem Haushaltsausschuss vertraulich vorgelegt und dort beraten wurde. Der Bericht ist nicht öffentlich, da er Daten zu Geschäftsinteressen Dritter enthält und Einblicke in die Strategie des Landes gewährt, die in laufenden und anstehenden Gesprächen mit Vermieterinnen und Vermietern die Verhandlungsposition des Landes schwächen könnten.
Die unabhängigen Expertinnen und Experten
Das Ministerium hat für die Evaluierung auch unabhängigen externen Sachverstand eingeholt. Federführend war dabei die Partnerschaft Deutschland (PD). Die PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH ist ein hundertprozentig öffentliches Beratungsunternehmen für öffentliche Auftraggeber und bietet Beratungsleistungen für Verwaltungsmodernisierung sowie Bau, Infrastruktur und Kommunen an. Ziel ihrer Beratung ist es, bessere Verwaltungsarbeit zu ermöglichen und Infrastrukturprojekte schneller und wirtschaftlicher umzusetzen. Die PD berät zu Beschaffungsvarianten, zu Strategie, Organisation und Projektsteuerung und unterstützt darüber hinaus die Durchführung komplexer Modernisierungs- und Beschaffungsprojekte und übernimmt die Steuerung von Großprojekten. Sie verfügte damit über die für die LEO-Evaluierung erforderliche baufachliche und ökonomische sowie immobilienstrategische Kompetenz.
Die PD hat mit drei weiteren Fachunternehmen zusammengearbeitet: BNP Paribas Real Estate Consult GmbH zu Fragen der Immobilienwirtschaft, Linklaters LLP zu rechtlichen Aspekten und CalCon Deutschland GmbH zur Einschätzung des Bauzustands.
Parallel und unabhängig davon hat der Präsident des Hessischen Rechnungshofs in seiner Eigenschaft als Landesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (LW) das Ministerium beraten. Seine Einbindung erschien auch deshalb sinnvoll, da der Hessische Rechnungshof seinerzeit bei der Veräußerung der LEO-Objekte eingebunden war. Der LW war mit seiner gutachterlichen Beratung nicht in die Projektstruktur des Ministeriums mit der PD einbezogen, sondern arbeitete gesondert und unabhängig.
Die Ergebnisse
Die wichtigsten Ergebnisse der Evaluierung lassen sich so zusammenfassen:
- Die damaligen Transaktionen waren marktüblich und geprägt von einem sehr guten Verkaufserlös, mieterfreundlichen Mietverträgen und Mietpreisen leicht über dem Marktniveau.
- Die damaligen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sind aus heutiger Sicht ergänzungsbedürftig. Zukünftig sollte eine Sensitivitätsanalyse die Chancen und Risiken bei sich verändernden Grundannahmen für die Entscheidungsträgerinnen und -träger transparenter machen. Die damalige Annahme eines Restwerts 0 nach Ablauf der Mietvertragslaufzeit ist aus heutiger Sicht, aufgrund der Investitionen des Landes innerhalb der Laufzeit, nicht mehr haltbar. Eine differenzierte Restwertbetrachtung hätte allerdings nach heutiger Analyse in 40 von 55 Fällen nach wie vor zu einer Vorteilhaftigkeit des Verkaufs und der Rückanmietung geführt.
- Unter heutigen Rahmenbedingungen mit stark gestiegenen Immobilienwerten und stark gesunkenen Zinsen erscheinen weitere Rückmietverkäufe nicht mehr marktüblich.
- Der Bauzustand der Objekte, der bei 9 von 55 LEO-Immobilien vertieft betrachtet wurde, erweist sich als solide bis gut, allerdings mit Modernisierungsbedarf insbesondere hinsichtlich der energetischen Ertüchtigung der Außenhülle und der Schaffung zeitgemäßer Büros.
- Die Nutzerressorts sind, in der überwiegenden Anzahl, mit ihrer Unterbringung in den LEO-Objekten zufrieden und wollen dort verbleiben.
- Die Verhandlungsposition des Landes als ausfallsicherer Mieter wird von den externen Expertinnen und Experten als gut eingeschätzt. Dies gilt trotz knapper werdender Mietflächen. Die Corona-Krise sorgt zwar derzeit für eine signifikante Verringerung der Neuabschlüsse, nicht aber für eine Erhöhung des Leerstandes.
- Die Gutachterinnen und Gutachter empfehlen für über 80% der Objekte, mit den Eigentümerinnen und Eigentümern Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel, auf Kündigungsoptionen zu verzichten und/oder Mietverträge zu verlängern. Im Gegenzug sollten die Eigentümerinnen und Eigentümer zu Modernisierungsinvestitionen bereit sein. Zusätzlich sollten die Schnittstellen der Instandhaltungsverpflichtungen von Mieter und Vermieter schärfer definiert werden, um Reibungsverluste zu vermeiden und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.
- Mit dieser Strategie lassen sich auch übergeordnete Ziele wie Stärkung des ländlichen Raumes, Klimaschutz und Schaffung moderner Arbeitsplätze zur Nachwuchsgewinnung unterstützen.
Der Blick zurück
„In den 2000er Jahren war der Rückmietverkauf für die damals Handelnden eine gut begründete und nachvollziehbare Option. Öffentliche Haushalte standen in Folge einer Wirtschaftskrise unter Druck, eine höhere Neuverschuldung war in Hessen verfassungsrechtlich nicht möglich.Die über zwei Milliarden Euro aus dem Rückmietverkauf konnten damals gut für die Bürgerinnen und Bürger investiert werden. Auch in der Rückschau kommt die Evaluierung zum Schluss, dass der Verkauf marktüblich und von einem sehr guten Verkaufserlös, mieterfreundlichen Mietverträgen und Mietpreisen leicht über dem Marktniveau geprägt war. Dies spricht für ein professionelles Verkaufsverfahren“, sagte Finanzminister Boddenberg.
„Diese Entscheidung hatte ihre Zeit und ihre guten Gründe. Mit dem Wissen von heute gibt es aber auch kritische Anmerkungen. Die damalige Grundannahme, in die Liegenschaften würde nur das Nötigste investiert, so dass die Gebäude nach Ende der Mietvertragslaufzeit in der Regel abgerissen oder grundsaniert werden müssen und mithin einen Restwert von 0 Euro aufweisen, ist aus heutiger Sicht nicht haltbar. In die Gebäude muss abhängig von der zu erwartenden Restnutzungsdauer auch mieterseitig weiter investiert werden. Hätte man das damals in den vor dem Verkauf vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen stärker berücksichtigt, hätte dies bei einzelnen Gebäuden gegen einen Verkauf gesprochen. Eine differenziertere Restwertbetrachtung hätte allerdings auch nach heutiger Analyse in der großen Mehrzahl, nämlich in 40 von 55 Fällen nach wie vor zu einer Vorteilhaftigkeit des Rückmietverkaufs geführt“, erläuterte Boddenberg.
„Eine wichtige Folge der Evaluierung wird sein, dass Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zukünftig grundsätzlich mit sogenannten Sensitivitätsanalysen versehen werden sollen. Diese versuchen genauer unterschiedliche Szenarien, positive wie negative, aufzuzeigen, um den Verantwortlichen bei ihrer Entscheidung noch transparenter die möglichen Folgen vor Augen führen zu können“, sagte der Finanzminister.
Der Blick nach vorne
„Für 80 Prozent der Gebäude empfehlen uns die Sachverständigen den Verbleib und mögliche Vertragsverlängerungen bei gleichzeitig zeitgemäßer Modernisierung und Investitionen durch die Eigentümerinnen und Eigentümer. Dies deckt sich mit den Wünschen der Nutzerressorts, die an den allermeisten Standorten festhalten und auch in den genutzten Gebäuden bleiben wollen. Hier hat unser Immobilienteam bereits erste Gespräche mit den Eigentümerinnen und Eigentümern geführt und eine positive Grundstimmung festgestellt. Inwieweit dies tatsächlich zu Nachträgen oder Mietvertragsverlängerungen führt, müssen die weiteren Gespräche zeigen“, sagte Finanzminister Boddenberg. „Wir erkunden die Bereitschaft zur Investition in diejenigen Gebäude, die das Land langfristig nutzen will. Die Verhandlungsposition des Landes ist grundsätzlich als gut anzusehen. Für den Fall, dass Objekte nicht mehr mit wirtschaftlichem Aufwand in einen energetisch und funktional zeitgemäßen Zustand zu versetzen sind, sollen Kündigungs- und Abmietungsoptionen genutzt werden.“
„Der Zeitpunkt und die Erkenntnisse der LEO-Evaluierung sind bestens geeignet, um die Immobilienstrategie des Landes weiterzuentwickeln, auch über die LEO-Gebäude hinaus. Sie lässt sich mit übergeordneten Zielsetzungen verbinden. Das Ziel eines klimaneutralen Hessens wird durch die angestrebte, auch energetische Modernisierung des Immobilienbestandes unterstützt. Dabei stehen auch die LEO-Standorte im ländlichen Raum im Fokus. Diese sollen erhalten und modernisiert werden, um so attraktive Arbeitsplätze auf dem Land weiter anbieten zu können. Parallel zur Modernisierung ist die Umsetzung moderner Bürokonzepte geplant, um attraktive Arbeitsplätze für junge Nachwuchskräfte zu schaffen. Damit soll die Attraktivität des Landes als Arbeitgeber gestärkt werden, insbesondere angesichts des auch der Landesverwaltung bevorstehenden demographischen Wandels. Es steht uns noch viel, aber sicher lohnende, Arbeit bevor. Die Evaluierung hat dafür eine gute Grundlage gelegt“, bilanzierte Finanzminister Michael Boddenberg.