In den Pressemeldungen der Finanzministerkonferenz werden die Ergebnisse der Jahreskonferenz vorgestellt.
Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder haben in ihrer Jahreskonferenz am 21. Juni 2024 in Bremen unter Vorsitz von Finanzministerin Doris Ahnen (Rheinland-Pfalz) u. a. die Lage der öffentlichen Finanzen beraten. Sie stellen dazu Folgendes fest:
Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer Schwächephase. Das reale Bruttoinlandsprodukt ging im Jahr 2023 um 0,2 % zurück. Während die erwartete wirtschaftliche Erholung sich zum Ende des Jahres erneut verzögert hat, deutete sich im Frühjahr eine leichte Erholung an. Die Lage in der Industrie hat sich etwas aufgehellt, bleibt aber fragil. Hier lasten neben vermehrten handelspolitischen Spannungen weiterhin die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und weiterer geopolitischer Konflikte auf der Weltkonjunktur und der exportorientierten deutschen Wirtschaft. Die damit verbundene Unsicherheit belastet die Investitionstätigkeit zusätzlich zum höheren Zinsniveau. Zudem haben Teile der deutschen Wirtschaft strukturell an Wettbewerbsfähigkeit verloren und partizipieren daher nicht mehr in gleicher Weise wie früher von einer sich erholenden Weltkonjunktur. Positiv wirkt dagegen die in Folge der Leitzinserhöhungen sowie der vergleichsweise raschen Entspannung bei den Energiepreisen gesunkene Inflationsrate. Diese lag im
Mai 2024 bei 2,4% und damit nahe dem mittelfristigen Zielwert der Europäischen Zentralbank. Mit Blick auf die deutlichen nominalen Lohnsteigerungen führt diese Entwicklung zu wieder steigenden Realeinkommen. Angesichts des insgesamt robusten Arbeitsmarktes ist davon auszugehen, dass der private Konsum wieder vermehrt stabilisierend auf die Binnenkonjunktur wirkt.Die Bundesregierung geht vor diesem Hintergrund in ihrer Frühjahrsprojektion für das Jahr 2024 von einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts von 0,3 % und für das Jahr 2025 von 1,0 % aus. In diesem Szenario ergibt sich eine merkliche Unterauslastung der Produktionskapazitäten (-1,5 % des Potenzials in 2024 sowie -1,1 % in 2025). Dies geht einher mit einem mittelfristig deutlich erkennbaren Rückgang des Wachstumspotenzials – mithin der wirtschaftlichen Grunddynamik. Die demografische Entwicklung und der damit einhergehende Fachkräftemangel in immer mehr Bereichen der Wirtschaft sind ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung.
- Die Finanzpolitik agiert vor diesem Hintergrund weiterhin in einem sehr anspruchsvollen Umfeld. Durch das verminderte Potenzialwachstum ist grundsätzlich auch in den kommenden Jahren mit einer weniger dynamischen Entwicklung der Steuereinnahmen zu rechnen. Die aktuelle Mai-Steuerschätzung hat gezeigt, dass alle staatlichen Ebenen in den kommenden Jahren zwar weiter mit Einnahmezuwächsen rechnen können, diese aber geringer ausfallen als noch im letzten Jahr angenommen. Das erhöht den Druck auf die öffentlichen Haushalte auf absehbare Zeit. Gleichzeitig stehen die öffentlichen Haushalte vor anhaltend großen Herausforderungen. Dazu gehören insbesondere die notwendige finanzpolitische Normalisierung nach den krisengeprägten Jahren, die Finanzierung der äußeren und inneren Sicherheit, die Investitionsbedarfe bei der öffentlichen Infrastruktur, die Dekarbonisierung und nicht zuletzt die Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Eine gesicherte Einnahmenbasis einerseits und Ausgabendisziplin andererseits sind die Voraussetzungen dafür, dass die damit verbundenen finanzpolitischen Herausforderungen auch künftig bewältigt werden können. Zugleich können so kurzfristige Reaktionsmöglichkeiten auf Situationen wie die jüngsten Hochwasserereignisse bewahrt werden. Das staatliche Defizit in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (Maastricht-Defizit) belief sich im Jahr 2023 auf rund 102 Mrd. Euro oder 2,5 % im Verhältnis zum nominalen BIP. Der Bruttoschuldenstand betrug zuletzt 63,6 % des BIP.
- Vor dem Hintergrund der Krisen der vergangenen Jahre und den jüngsten Ereignissen findet die Aufstellung und Gestaltung der Haushalte der Länder unter veränderten Vorzeichen statt. Einerseits beschränkt die verringerte Dynamik der Steuereinnahmen spürbar die finanziellen Handlungsspielräume der Länder, andererseits sind die Belastungen auf der Ausgabenseite der Länderhaushalte deutlich gestiegen. Von diesen entfällt ein großer Anteil auf Personalkosten insbesondere in den Bereichen Schule, Wissenschaft, Polizei, Justiz und Finanzverwaltung. Die erhebliche strukturelle Belastung wird durch die inflationsbedingt hohen Lohn- und Gehaltssteigerungen sowie zunehmende Versorgungsausgaben verstärkt. Weiterhin sind auch Mehrbelastungen bei den Sozialausgaben zu bewältigen. Hinzu kommt die Notwendigkeit erhöhter Investitionen in wichtigen Zukunftsbereichen, die in die Zuständigkeit der Länder fallen. Die Länder stehen dadurch in den nächsten Jahren vor enormen Herausforderungen.
- Angesichts dieser Situation sollten alle Ebenen – Bund, Länder und
Kommunen – gemeinsam die Voraussetzungen dafür schaffen, um die vor ihnen liegenden Aufgaben einer Lösung zuführen zu können. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder erwarten daher, dass der Bund dauerhaft zu seinen Finanzierungszusagen steht – etwa bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten, des ÖPNV (insbesondere des Deutschlandtickets), der Verbesserung der Qualität und Teilhabe in der Kindertagesbetreuung, dem Gesundheitspakt oder der Fortsetzung des Digitalpakts Schule. Mit der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU, die am 30. April 2024 in Kraft getreten ist, sind künftig die Nettoprimärausgaben die Zielgröße des neuen Regelwerks. Die Europäische Kommission vereinbart mit den Mitgliedstaaten länderspezifische Referenzpfade für die Entwicklung der Nettoprimärausgaben, auf deren Basis die Mitgliedstaaten erstmals im
Herbst 2024 ihre Pfade für die Entwicklung der Nettoprimärausgaben in ihren mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plänen festlegen. Bei der Ableitung der neuen Ausgabenpfade werden auch künftig quantitative Mindestvorgaben für den Abbau der Schuldenstandsquote sowie ein angemessener Abstand des Defizits zum 3-Prozent-Referenzwert eingehalten werden müssen.Das neue europäische Regelwerk erfordert weiterhin eine enge Koordinierung der einzelnen staatlichen Ebenen. Auch die Länder werden von den neuen Regeln im Rahmen der gesamtstaatlichen Einhaltung der europäischen Fiskalregeln und der haushaltspolitischen Überwachung durch den Stabilitätsrat betroffen sein. Erforderlich ist daher, dass die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder vom Bundesminister der Finanzen umfassend und zeitnah über die anvisierten innerstaatlichen Auswirkungen des geänderten Verfahrens informiert werden und am Prozess der Umsetzung und Anwendung der geänderten europäischen Regeln für den Bund mitwirken.
- Um den Auswirkungen der Coronapandemie wirksam begegnen zu können, wurde auf Ebene der EU das sogenannte Wiederaufbauinstrument “NextGeneration EU“ eingerichtet. Größter Bestandteil des Instruments ist die sogenannte Aufbau- und Resilienzfazilität, aus der Deutschland ein Programmvolumen von rund 30 Mrd. Euro erhält. Die Umsetzung der Fazilität in Deutschland ist im Hinblick auf die von den Ländern gesteuerten Förderinstrumente im Sinne einer zukunftsfähigen Ausrichtung der Struktur- und Finanzpolitik von gesamtstaatlicher Bedeutung. Dementsprechend erwarten die Länder, dass sie angemessen in die Entscheidungen über die weitere Verteilung der EU-Mittel eingebunden werden. Damit würde sichergestellt, dass die Förderinstrumente der Länder mit den Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität sinnvoll aufeinander abgestimmt und insbesondere Doppelförderungen vermieden werden. Die Länder bedauern, dass sie von der Bundesregierung bislang trotz wiederholter Aufforderung in diesen Prozess nicht im erforderlichen Umfang eingebunden werden. Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder fordern daher erneut, dass der Bundesminister der Finanzen sie unverzüglich und umfassend über das aktuelle Konzept zur zukünftigen Ausreichung und Abrechnung der verbleibenden deutschen Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität einschließlich der beschlossenen Änderungen unterrichtet und die zuständigen Stellen in den Ländern vor beabsichtigten Änderungen mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf in den Gestaltungsprozess einbezieht.
Die Finanzminister und Finanzministerinnen der Länder betonen, dass die Förderung aus der Aufbau- und Resilienzfazilität kumulativ und nicht alternativ zu den Förderinstrumenten der EU-Regionalpolitik/Kohäsionspolitik mit bewährter dezentraler Steuerung zu stehen hat.
Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder haben in ihrer Jahreskonferenz am 21. Juni 2024 in Bremen unter Vorsitz von Finanzministerin Doris Ahnen (Rheinland-Pfalz) u. a. den aktuellen Fortschrittsbericht zu den Nachhaltigkeits-strategien in den Finanzministerien und Finanzverwaltungen der Länder beraten. Sie stellen dazu Folgendes fest:
Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder haben die Fortschritte und positiven Entwicklungen bei den Nachhaltigkeitsstrategien der Länder gewürdigt und einen aktualisierten Fortschrittsbericht vorgelegt. In den Finanzressorts der Länder gab es in vielen Bereichen erneut deutliche Weiterentwicklungen und Verbesserungen.
Beispielsweise spielt im Bereich der Finanzierung und Vermögensanlage die Nachhaltigkeit weiterhin eine wesentliche Rolle. Einige Länder haben bereits Nachhaltigkeitsanleihen bzw. Grüne oder Soziale Anleihen am Kapitalmarkt emittiert. Auch legen die Länder verstärkt Nachhaltigkeitskriterien als Nachfrager von Finanzprodukten zu Grunde.
Bei der Steuerung und dem Management ihrer Beteiligungen pflegen viele Länder einen regen Austausch mit Stakeholdern aus den Bereichen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit und unterstreichen damit ihre Verantwortung im Bereich der nachhaltigen Beteiligungssteuerung. Künftig wird insbesondere die Taxonomie-Verordnung für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten der Europäischen Kommission zu berücksichtigen sein.
Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten werden mit dem Fokus einer nachhaltigen Immobilien- und Flächenwirtschaft insbesondere Sanierungen vorangetrieben sowie erneuerbare Energien und die Ladeinfrastruktur weiter ausgebaut. Gleichzeitig werden Flächen immer weiter eingespart oder Unterstützungsleistungen zum Bodenrecycling infolge städtischer Baumaßnahmen geprüft. Bei Neubauten wird insbesondere auf Energieeffizienz und nachhaltige Baumaterialien geachtet. Um verstärkt ökologische und zunehmend auch soziale Aspekte der Nachhaltigkeit in ihr Beschaffungswesen einzubeziehen, verfolgen die Länder konkrete Initiativen. Insbesondere haben sie bereits vorhandene Aktivitäten teils erheblich fortgeschrieben und Vorgaben der Vergabe, wie z. B. die bevorzugte Berücksichtigung von Werkstätten für Menschen mit Behinderung und Inklusionsbetrieben, weiterentwickelt.
Insgesamt zeigt der aktuelle Bericht in allen Bereichen ein klares Engagement der Finanzministerien und -verwaltungen der Länder für mehr Nachhaltigkeit. Den Mittelpunkt bildet in vielen Ländern weiterhin das übergreifende Ziel einer generationengerechten Finanz- und Haushaltspolitik zur finanziellen Bewältigung der verschiedenen klimabedingten, geo- und sicherheitspolitischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.