„Die Auswertung der Panama Papers, die die Hessische Steuerverwaltung mit dem Bundeskriminalamt in Deutschland federführend für die Steuerverwaltungen der anderen Bundesländer übernommen hat, konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Dank der ausgezeichneten technischen Ausstattung der hessischen Steuerfahndungsstellen und einer an den besonderen Erfordernissen des Umgangs mit Massendaten orientierten zusätzlichen IT-Aufrüstung konnten auch während des gesamten letzten Jahres, und damit ungehindert von den Auswirkungen der Corona Pandemie, in großer Zahl umfangreiche Datenpakete mit mehreren tausend Dokumenten von unserem Auswertungsteam in Kassel an Steuerbehörden im In- und Ausland weitergegeben werden. Insgesamt wurden fast 1,02 Millionen Dokumente zu rund 3.000 Offshore-Firmen und etwa 1.000 Personen gerichtsverwertbar allein ins Inland versandt. Dank der mühsamen und hervorragenden Arbeit der Ermittlerinnen und Ermittler konnten zahlreiche Steuerkriminelle weltweit gestellt werden. Ich hoffe, dass die Steuer- und Strafverfolgungsbehörden in Deutschland und international, mit den ihnen vorliegenden Ergebnissen, weitere von ihnen nach Recht und Gesetz zur Verantwortung bringen können.“ Das erklärte Hessens Finanzminister Michael Boddenberg, der heute eine Bilanz zur Aufarbeitung der Panama Papers zog.
Hessen hat sich mit über 300.000 Euro am Ankauf der Panama Papers durch das Bundeskriminalamt beteiligt. Zur Auswertung wurde im Finanzamt Kassel II-Hofgeismar eine Ermittlungsgruppe gegründet. Ihre Aufgabe bestand in den zurückliegenden Jahren darin, die Panama Papers in akribischer Kleinarbeit nach inländischen und ausländischen wirtschaftlichen Berechtigten zu durchsuchen und entsprechende Fälle an die zuständigen Finanz- und Strafverfolgungsbehörden im In- und Ausland abzugeben, die die weitere Prüfung über die steuerliche Erfassung und gegebenenfalls die strafrechtliche Würdigung eigenständig durchführen. Die Hessische Steuerverwaltung sichtete die Datensätze und lieferte sie aktiv wie auf Nachfrage gerichtsverwertbar an die zuständigen Behörden.
„Die Panama Papers sind das größte Daten-Leak, das bisher von einer Steuerverwaltung ausgewertet wurde. 3,2 Terabyte an Daten liegen uns vor. Es handelt sich dabei um fast 49 Millionen Dokumente, die mal nur einzelne, aber durchaus auch mehrere hundert Seiten umfassen“, berichtete Finanzminister Boddenberg.“
Die Folgeaufarbeitung des an nationale und internationale Behörden abgegebenen Datenmaterials der Panama Papers dauert in den anderen Bundesländern, aber auch in Hessen, und weltweit weiterhin an. Bei jeder Datenabgabe wurden die Empfängerbehörden gebeten, die Ergebnisse der weiteren Ermittlungen an das Kasseler Team zu melden. Aus den daraufhin eingegangenen Rückmeldungen ergibt sich bundesweit bislang folgendes Bild:
- Steuerliches Mehrergebnis: über 38,4 Millionen Euro.
- Strafrechtliches Mehrergebnis: über 19 Millionen Euro.
- In rund 155 Fällen wurden Steuerstrafverfahren eingeleitet oder bereits laufende Verfahren durch aus den Panama Papers neu gewonnene Erkenntnisse unterstützt.
An das Ausland abgegebene Datensätze führten bislang zu einem steuerlichen Mehrergebnis von etwa 14,5 Millionen Euro und einem strafrechtlichen Mehrergebnis von etwa 100.000 Euro. In Summe führt dies zu einem nachweislich zentral erfassten Mehrergebnis von aktuell rund 72 Millionen Euro.
Eine Pflicht zur Rückmeldung der Ergebnisse an das Auswertungsteam in Kassel besteht allerdings nicht. Daher und da die Ermittlungen meist äußerst komplex und langwierig sind, sind diese Ergebnisse zum einen weiterhin als eine Momentaufnahme zu betrachten, zum anderen dürften die bisherigen Mehrergebnisse tatsächlich noch deutlich höher liegen.
„Eigeninitiativ gingen von den Ermittlern in Kassel an 31 Länder aufbereitete Leaks-Datensätze, zudem wurden knapp 190 internationale Datenanfragen bearbeitet. National haben Behörden aller Bundesländer insgesamt etwa 360 Datenanfragen allein zu den Panama Papers bei der eingesetzten Ermittlungsgruppe in Kassel gestellt“, berichtete Hessens Finanzminister.
In Hessen ist das steuerliche Mehrergebnis aus der Auswertung der Panama Papers bisher auf über 432.000 Euro gestiegen. 10 Strafverfahren wurden eingeleitet. Da die steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Ermittlungen noch andauern und aufgrund der Komplexität auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen, könnte das steuerliche Mehrergebnis jedoch weiter steigen.
„Durch die federführende Auswertung der Panama Papers, aber auch weiterer Daten-Leaks, haben wir in den vergangenen Jahren von Hessen aus ein dichtes und engmaschiges Netz im Kampf gegen Steuerkriminalität gespannt. Eine noch engere Kooperation deutscher und internationaler Behörden ist dadurch entstanden. Diese gute Zusammenarbeit wird auch zukünftig dafür sorgen, dass wir noch mehr Steuerkriminellen das Handwerk legen können. Im Netz hochspezialisierter Ermittler und Fahnderinnen bildet die Hessische Steuerverwaltung einen zentralen Knotenpunkt. Stolz und dankbar blicke ich deshalb auf den akribischen, intensiven Einsatz und die nationale wie auch international geschätzte Kompetenz unserer Kolleginnen und Kollegen. Ihnen gebührt an dieser Stelle ein ganz großes Lob für die geleistete Arbeit“, so Boddenberg. „Die Aufbereitung und die uns dadurch mögliche Abgabe von Daten aus den Panama-Papers konnte nun beendet werden. Unsere Spezialistinnen und Spezialisten für Steuergerechtigkeit können sich jetzt noch stärker der Auswertung der anderen ihnen vorliegenden Daten-Leaks, für die sie ebenfalls die bundesweite Federführung bei der Auswertung innehaben, widmen. Gleichwohl bleibt das Kasseler Team natürlich auch weiterhin als direkter Ansprechpartner zu den Panama-Papers für nationale und internationale Behörden erhalten. Sollten dort künftig noch entsprechende Daten- oder andere Anfragen eingehen, werden diese auch weiterhin gewissenhaft beantwortet.“
Hessen möchte Steuerfahndung mehr Befugnisse einräumen
Finanzausschuss des Bundesrates berät am Donnerstag darüber
„Auch die Panama Papers und weitere Daten-Leaks haben uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass zur Strafverfolgung alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel eingesetzt werden müssen. Ein solches Mittel ist für mich auch die Telekommunikationsüberwachung, sollten andere Maßnahmen nicht zum gewünschten Ziel führen. Wir brauchen mehr Ermittlungsmöglichkeiten, als dies bislang der Fall ist. Der Rechtsstaat muss wehrhaft sein und alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um schwere Steuerhinterziehung zu bekämpfen“, so Finanzminister Boddenberg.
Mit dieser klaren Forderung und eigenen Vorschlägen setzt sich Hessen bereits seit 2017 im Kampf gegen Steuerkriminalität für die Ausweitung des Einsatzes von Telekommunikationsüberwachung ein. Im November vergangenen Jahres ist dabei ein wichtiger Zwischenschritt erreicht worden: Der Bundesrat hat sich mehrheitlich für einen Einsatz der Telekommunikationsüberwachung ausgesprochen. Boddenberg: „Wir müssen diese Chance nun endlich beim Schopf packen und den Kampf gegen Steuerkriminalität weiter stärken. Es reicht nicht, nur darüber zu reden, die Aufklärungsinstrumente verbessern zu wollen. Es muss auch entsprechend gehandelt werden. Die Länder haben im Bundesrat ihren Teil beigetragen und gesetzliche Verschärfungen formuliert. Die Bundesregierung greift diese Forderungen nun erstmals mit einem Gesetzentwurf zur Änderung der Strafprozessordnung auf. Das begrüße ich sehr! Der Finanzausschuss des Bundesrates wird sich am Donnerstag damit befassen und kann sich dabei auch meiner Zustimmung sicher sein. Weniger sicher dürfen sich dagegen viele Steuerkriminelle fühlen, wenn das Vorhaben Gesetz wird. Genau das wollen wir und dafür setze ich mich auch weiterhin ein!“
Nach derzeitiger Rechtslage ist eine Telekommunikationsüberwachung nur in Fällen der bandenmäßig durchgeführten Umsatz- oder Verbrauchsteuerhinterziehung zulässig. Nach Auffassung Hessens und der Mehrheit der Bundesländer sowie nach den neuen Plänen der Bunderegierung soll dies künftig auch in anderen Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung und insbesondere unabhängig von der Steuerart möglich sein.