Mit Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 2011/85/EU des Rates über die Anforderungen an den haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten vom 8. November 20111 ist die EU-Kommission beauftragt worden, der Frage nachzugehen, ob die internationalen Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor („International Public Sector Accounting Standards“ - IPSAS) für die Mitgliedstaaten geeignet sind. Die IPSAS stellen Rechnungslegungsstandards dar, die gemäß den Empfehlungen des IPSAS-Board von Regierungen und anderen öffentlichen Stellen verwendet werden. Sie orientieren sich an den Rechnungslegungsstandards für den privaten Sektor (IAS/IFRS), berücksichtigen jedoch die speziellen Gegebenheiten des öffentlichen Sektors.
In Erledigung des mit Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 2011/85/EU erteilten Prüfauftrags hat sich die EU-Kommission mit ihrem Bericht „Die angestrebte Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten“ vom 6. März 20132 mit Blick auf die Heterogenität des öffentlichen Rechnungswesens in Europa für die Einführung von European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) als neuem harmonisierten Rechnungslegungsstil im öffentlichen Sektor ausgesprochen. Zugleich hat die EU-Kommission eingeräumt, dass die IPSAS in ihrer gegenwärtigen Form nicht ohne weiteres in den EU-Mitgliedstaaten eingeführt werden können, jedoch einen ersten Bezugsrahmen für eine mögliche harmonisierte Rechnungsführung des öffentlichen Sektors in der EU darstellen.
Hessen ist mit seinem reformierten Rechnungswesen auf eine entsprechende Anpassung und Harmonisierung der Rechnungslegung im öffentlichen Bereich auch auf staatlicher Ebene vorbereitet. Der Aufwand für eine Umstellung auf noch zu entwickelnde EPSAS wird für das Land Hessen auf staatlicher Ebene weitaus geringer ausfallen als bei Ländern, die bisher nach rein kameralen Grundsätzen Rechnung legen. Dies hat sich für das Land Hessen auch im Rahmen seines in 2021 abgeschlossenen Projekts bestätigt, das im Rahmen eines Praxistests die Aufstellung eines Konzernabschlusses nach dem IPSAS für das Jahr 2019 zum Gegenstand hatte. Im Projekt ließen sich – aufgrund entsprechender Wahlrechtsausübung – weitreichende Gemeinsamkeiten eines von der öffentlichen Hand nach nationalen bilanzrechtliche Vorgaben des Handelsgesetzbuches einerseits und internationalen Rechnungslegungsstandards andererseits feststellen. Dieses Ergebnis war insbesondere darauf zurückzuführen, dass in Deutschland die auf staatlicher Ebene relevanten Grundsätze staatlicher Doppik im Sinne des Haushaltsgrundsätzegesetzes auf nationales Bilanzrecht verweisen. Letzteres basiert bereits auf einer gemeinschaftsrechtlichen und internationalisierten Grundlage (Bilanzrichtlinie RL 2013/34/EU), die nicht nur im privaten Sektor, sondern auch im öffentlichen Sektor Anwendung findet. Das Land Hessen besitzt mit seinem derzeitigen Rechnungslegungsstand somit eine gute Grundlage für die Zukunft.
1Amtsblatt L 306 vom 23. November 2011, S. 41
2EU-Kommission vom 6. März 2013, COM (2013) 114 final, Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Brüssel 2013, Eur-LexÖffnet sich in einem neuen Fenster